Dienstag, 19. Dezember 2017
Du kommst hier nicht rein!
Juchhu, wir fahren nach Singapur! Die Stadt der Verbote. Die Kaugummibestimmungen sollen inzwischen gelockert worden sein, man darf aber nur siebzehn Zigaretten einführen. Arnd hat sowieso nur fünf eingesteckt, also kann es fröhlich losgehen.

Die nette Dame in der Lobby bestellt uns ein Ubertaxi (aus unerfindlichen Gründen klappt es nicht mit unserer App) und schon sind wir unterwegs zum Tuas Second Link, dem Grenzübergang. Unser Fahrer reicht dem malaysischen Zollbeamten unsere Pässe und sagt ihm, dass er nicht nach Singapur will, sondern gleich wieder umkehrt. Wir bekommen unsere Pässe zurück, steigen aus und fragen uns zum Busterminal durch. Da steht ja schon der Bus mit den gelben Smileys drauf, der uns über die Brücke nach Singapur bringt. Wir stehen etwa eine halbe Stunde im Stau, dann steigen wir wieder aus und gehen zur nächsten Grenzkontrolle. Jetzt nur noch die Einreiseformalitäten, dann sind wir in Singapur.

Der Beamte blättert meinen Pass durch. Er blättert und blättert und blättert. Was ist los? Ich blicke hinüber zu Arnd, der am Schalter nebenan steht. Auch hier: Die Beamtin blättert und blättert und blättert. Dann zeigt mir mein Beamter meinen Pass: ich habe keinen Ausreisestempel aus Malaysia. Arnd auch nicht. Keine Ausreise, keine Einreise. Wir sind im Niemandsland. Arnds Beamtin nimmt uns mit ins Immigration-Office. Ich sehe uns schon auf den Spuren des Terminalmanns, der jahrelang wegen fehlender Papiere einen Flughafen nicht verlassen konnte und sich dort häuslich einrichten musste. Das wird dann aber ungemütlich.

Wir sitzen auf Plastikstühlen und warten. Inzwischen sind drei weitere Beamte mit unserem Fall befasst. Es wird telefoniert und diskutiert: „Welches Formular soll ich nehmen?“, scheint das Thema zu sein. Nach einer gefühlten Ewigkeit übergibt der hauptsächlich zuständige Officer (die anderen waren nur beratend tätig) unsere Pässe an zwei junge bewaffnete Damen in Uniform. Eine geht vor uns, eine hinter uns und sie geleiten uns über verschiedene Plätze (sind das etwa frische Blutspritzer auf dem Boden?!) und durch etliche Räume hinter den Kulissen zurück zum Busterminal.

Dort bedeuten die Frauen uns, den Bus zurück über die Brücke nach Malaysia zu nehmen. Ein Dokument soll uns helfen, das Niemandsland wieder zu verlassen. Im Bus lese ich, was da geschrieben steht: „This is to inform you that you are refused entry into Singapore for being ineligible for the issue of a pass under current immigration policies.“ Na, toll!

Dann die Einreise nach Malaysia: Der malaysische Beamte muss erstmal seine Kollegen befragen. Wir dürfen nämlich nur drei Monate in Malaysia bleiben und es gilt zu klären, ob diese Zeit jetzt neu zählt. Tut sie nicht. Und unsere Pässe sind ab sofort gebrandmarkt mit dem Hinweis „NTL Singapore“. Dafür gibt es sogar einen Stempel. Supertoll!

Wir verlassen das Gebäude und stehen wieder vor einer Reihe von Bussen. Welchen nehmen wir? Die kurze Nachfrage ergibt, dass der nächste Bus nach Puteri Harbour um 17.30 Uhr fährt, also in zweieinhalb Stunden. Theoretisch könnten wir uns jetzt auch den Ausreisestempel von Malaysia holen und nochmal nach Singapur fahren. Aber das ist heute kein Thema mehr. Stattdessen stehen wir ein bisschen hilflos herum. Hier gibt es weder Taxi noch WLAN. Dann erbarmt sich einer der Männer, die wir nach dem Bus gefragt haben und zeigt auf ein Auto. Ein Grabtaxi, welch Glückes Geschick!

Unterwegs kommen wir mit dem Fahrer ins Gespräch. Arnd erzählt ihm von unserem Tag und der Fahrer hört gar nicht mehr auf zu schimpfen: „Das sind die faulen Malaien, die am Schalter arbeiten. Immer wieder passiert das, immer wieder fehlen Stempel. Starren lieber in ihr Handy, chatten mit Freunden, anstatt ihre Arbeit zu machen, die faulen Malaien! Man muss immer prüfen, ob man die Stempel hat, in Singapur sind sie gründlich.“ Würden Inder und Chinesen Malaysia regieren, wäre alles besser (er hat indische Wurzeln). Ich glaube zwar eher, dass es bei unserer Ausreise aus Malaysia ein Missverständnis zwischen Uberfahrer und Grenzer gab, aber es tut mir trotzdem gut, dass da mal jemand so herzhaft schimpft.

Zuhause recherchiere ich: Malaysier sind nicht alle gleich; es gibt die Volksgruppen der Inder, der Chinesen sowie der Malaien, die den politischen Führungsanspruch haben und dem Islam angehören. Seit 1969 werden die Malaien positiv diskriminiert (und eben auch bevorzugt im öffentlichen Dienst eingestellt), weil die Chinesen wirtschaftlich zu erfolgreich waren. Aha. Im Gegenzug sind die Malaien allerdings auch bestimmten Vorschriften der Scharia unterworfen, die für die anderen nicht gelten.

Na, da haben wir doch wieder was gelernt und der Tag war nicht umsonst. Morgen oder übermorgen werden wir nochmal versuchen, nach Singapur zu kommen. Jetzt wissen wir ja, worauf wir achten müssen. Unterschätze niemals die Bedeutung von Stempeln!

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