Montag, 11. Dezember 2017
Könige und Chinesen
Wir sind zu Besuch bei Königs und natürlich ziehen wir die Schuhe aus. Zum Glück bin ich angemessen gekleidet; Knie und Schultern sind ausreichend bedeckt. So dürfen wir also barfuß eintreten in die Gemächer der königlichen Familie und fühlen uns gleich wie zuhause. Es ist eben doch ein Unterschied, ob man mit nackten Füßen herumläuft oder mit Schuhen.



Wir besichtigen das Royal Museum, das Muzium Diraja. Von 1957 bis 2011 war dieser Palast die offizielle Residenz des königlichen Paares. Der König wird hier für fünf Jahre gewählt, spielt meist Golf und singt auch gern mal Karaoke. Ich kann verstehen, dass Königs umgezogen sind; hier gibt es bestimmt kein gutes WLAN und die Fernseher sind von vorgestern. Die Bäder würde ich auch umgestalten. Die Residenz ist vergleichbar mit dem Präsidentenpalast in Saigon; große Räume, alte Möbel, ein Haus mit dem Charme der Sechziger. Es macht mir großen Spaß, durch die Zimmer und Säle zu wandern und mir den Alltag der königlichen Hoheiten vorzustellen.

Und was machen wir jetzt? Wir setzen uns und nehmen den Stadtplan zur Hand. Chinatown klingt gut. Eine Station mit der Magnetschwebebahn (mit der wir auch hergekommen sind) und schon sind wir nahe der berühmten Petaling Street. Auf dem Weg passieren wir ein Bauwerk, das aussieht wie ein chinesischer Tempel (einmal Ente süß-sauer, bitte), aber ein Clan-Haus ist. Vor fünftausend Jahren hat ein Chinese den Clan begründet und hier sind alle Ahnen versammelt. Einer der Ur-Ur-Ur-Ur-….Enkel hat große Lust, mir die ganze Geschichte zu erzählen. Was wir in Deutschland mittels mühsamer Ahnenforschung ermitteln, schreibt der Chinese schon immer in ein großes Buch. Für ihn ist es wichtig, seine Wurzeln zu kennen. Irgendwas macht der Chinese wohl richtig; vor der Tür steht unter anderem ein nagelneuer Mercedes S-400h, Kostenpunkt ungefähr 125.000 Euro.



In der Betaling Street erfahren wir, warum der Chinese möglicherweise so wohlhabend ist. Hier gibt es alles zu kaufen, was nach Markenware aussieht und auf gar keinen Fall echt ist. Aber wir haben keine Gelegenheit, uns zum Kauf verführen zu lassen. Hunger und Durst treiben uns einem Promoter in die Arme. Er verteilt Flyer der Reggae Bar und immer wenn das Stichwort „Happy Hour“ fällt, werden wir bekanntermaßen schwach. Das Restaurant ist klasse; bei Pizza und Cocktails unterhalten wir uns erst mit einer Mutter und ihrer Tochter aus England und dann mit einem jungen Amerikaner aus Atlanta. Es ist so spannend, die Geschichten der anderen zu hören. So wartet der junge Mann auf Bescheid aus Russland (!), ob er dort eine Stelle als Lehrer antreten kann. Die junge Frau aus England nimmt sich ein Jahr Auszeit, um durch die Welt zu reisen und ihre Mutter begleitet sie einen Monat lang. Alle drei wollen wie wir noch nach Australien.

Nachdem wir genug gehört, geredet, gegessen und getrunken haben, geht es hinaus in den Regen. Pudelnass erreichen wir die Bahn (in der es wie immer eiskalt ist) und schließlich unser Zuhause. Jetzt noch ein Stückchen Lindt-Schokolade und dann gute Nacht.

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