Freitag, 1. Dezember 2017
Angkor, Part 2
Man kann es nicht oft genug sagen: Nimm kein minderwertiges Baumaterial, sonst ist der schönste Tempel schlappe 800 Jahre später nur noch ein Haufen Steine. Wir stehen inmitten des Klosterheiligtums Banteay Kdei und müssen leider sagen: Da hat der Bauherr am falschen Ende gespart. Aber: auch der Verfall beeindruckt. Wir stellen außerdem fest, dass jeder neue Herrscher seinen Tempel größer baut als der vorherige und die Unsitte pflegt, die Statuen Andersgläubiger einen Kopf kürzer zu machen. Kopflose Buddhas sind dadurch in Angkor eher die Regel als die Ausnahme. Manchmal ist wahrscheinlich aber auch der Baustoffhändler schuld, siehe oben.

Dann überqueren wir die Straße und erreichen einen künstlichen See. Wir genießen die magische Wirkung der vollkommen ruhigen Wasserfläche. Der Rand des riesigen Beckens besteht aus Treppenstufen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich die einstigen Bewohner dort sitzen, die Füße baden und wie wir aufs Wasser sehen. Wunderschön!



Sahid bringt uns nach und nach zu allen Sehenswürdigkeiten von Angkor und heute ist auch endlich Ta Prohm dran, der Dschungeltempel. Ich bin schon ganz gespannt, denn dieser Tempel ist der eigentliche Grund für die Reise nach Siem Reap. Seit meine Eltern hier waren und ich Bilder davon gesehen habe, will ich selbst dorthin.

Und dann ist es soweit: Wir sind im Dschungeltempel und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Hier sieht man mal, was passiert, wenn man ein paar hundert Jahre kein Unkraut zupft! Die Natur erobert sich alles zurück. Riesig große Bäume verschlingen Mauern und Türme und machen ihrem Namen alle Ehre – sie heißen nicht zufällig Würgefeigen. Trotz der vielen Touristen (es sind wohl gerade koreanische Wochen) finden wir immer wieder ruhige Plätze und können diese gewaltigen Bilder auf uns wirken lassen. Dies ist ein Ort, den man gesehen haben muss! Er ist gleichzeitig Vergänglichkeit und Ewigkeit und hat eine ungeheure Kraft. Fotos können das nicht annähernd wiedergeben, trotzdem machen wir wie alle anderen Besucher unendlich viele. Wir wollen diese Energie einfangen, können sie aber letztlich nur in uns aufnehmen.



Ich stelle mir vor, wie die Entdecker der Tempel sich mit Buschmesser und Machete durch den Dschungel kämpften und nach und nach Gebäudeteile entdeckten und freilegten. Wie aufregend! Und dann beschlossen sie, Ta Prohm nicht von den Bäumen und Wurzeln zu befreien, sondern den Tempel in weiten Teilen so zu lassen, damit wir nachfolgenden Besucher uns auch als Entdecker fühlen können. An anderer Stelle finden wir Vorher-Nachher-Fotos. Besonders beeindruckt mich ein Vorher-Steinhaufen, aus dem die Puzzlefans unter den Archäologen tatsächlich eine Nachher-Galerie mit allem drum und dran - Säulengang, Dachkuppeln und Reliefs - gemacht haben. Kaum zu glauben, dass das möglich war.

Der Abschied von diesem Ort des Staunens fällt schwer. Es ist Zeit, eine Kleinigkeit zu essen und vor allem Wasser zu trinken. Wie immer ist es heiß, gefühlt über 30 Grad und man transpiriert, was das Zeug hält. Nach dem Essen in einer der unzähligen Verkaufsbuden (auch Kleidung und allerlei Schnickschnack ist günstig im Angebot) bringt uns Sahid im Tuk-Tuk zu drei weiteren Minitempeln und dann zum Tempelberg Phnom Bakheng. Für den Wanderweg nach oben brauchen wir eine Viertelstunde. Wir kommen mit einer jungen Kambodschanerin ins Gespräch. Sie ist aus Phnom Penh und mit zwei Kollegen hier, alle drei arbeiten für ein Telekommunikationsunternehmen. Unsere Unterhaltung verkürzt die Wartezeit, denn jetzt heißt es anstehen, um auf den Tempel zu klettern. Nur 300 Menschen dürfen gleichzeitig hinauf. Von dort aus soll der Sonnenuntergang atemberaubend sein. Naja, nach einer kleinen Ewigkeit (stehen finde ich viel anstrengender als laufen), sind wir oben und blicken auf den Dschungel. Bäume, so weit das Auge reicht! Und leider auch Wolken, also kein so eindrucksvoller Sonnenuntergang wie erhofft. Aber die Stimmung bleibt gut, wir fotografieren noch ein bisschen und finden den Weg hinunter zu Sahid auch im Dunkeln.



Jetzt die große Frage: Erst duschen oder gleich im Stadtzentrum aussteigen und essen? Wir entscheiden, dass es besser ist, die Dusche auf später zu verschieben. Sahid setzt uns ab, besteht aber darauf, uns nach dem Essen wiederzutreffen, um uns nach Hause zu bringen.

Ein Lokal reiht sich an das nächste, wir haben die Qual der Wahl und entscheiden uns für mexikanisch. Für 20 Dollar essen wir uns lecker satt. Dann haben wir noch Zeit und ich weiß, was ich will! Vor einem der zahllosen Massagesalons steht ein Aquarium mit der Aufschrift: „Please feed our hungry fish with your dead skin!“ Die Fische sind gar nicht mal so klein, etwa 4-5 cm lang und als ich meine Füße in das Becken stecke, beginnen sie gierig, daran zu knabbern. Das kitzelt! Die Fische knabbern meine Hornhaut weg und es ist ein irres Gefühl. Ich bin total im Hier und Jetzt und vergesse alles um mich herum. Durch die Konzentration auf das kribbelige Gefühl habe ich keine Chance, an etwas anderes zu denken. Eine halbe Stunde später habe ich wohlig weiche Füße, bezahle zwei Dollar und sitze satt, glücklich und geborgen in Sahids Tuk-Tuk.

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