Dienstag, 1. Mai 2018
Die beste Mutter der Welt
„Else war noch nie im Ausland gewesen und sie hatte sich ihr Leben lang danach gesehnt. Der Gedanke, mit einem Mann, den sie liebte, weit wegzufahren in fremde südliche Länder, von denen sie nur gehört, gelesen und geträumt hatte, schöne alte Städte zu sehen, weiße Dörfer unter tiefblauem Himmel, das Meer, Palmen und Orangenbäume, war so überwältigend…sie lachte und weinte vor Glück...



Else setzte sich auf einen Stuhl und sah ihre Kinder an, den schönen schmalen Jungen mit den blonden und das stämmige kleine Mädchen mit den schwarzen Locken. Liebte sie ihre Kinder nicht genug? War sie eine schlechte Mutter? Wenn man eine Mutter an ihrer Pflichterfüllung maß, dann war sie eine schlechte Mutter. Wenn man sie aber an ihrer Liebe maß, dann war sie die beste Mutter der Welt. Sie liebte ihre Kinder mit einer brennenden Liebe. War das nicht genug? War das nicht entscheidender als die Pflichterfüllung?...

‚Weißt du noch, wie es anfing? Da standen wir am Anhalter Bahnhof, ganz verwirrt, ich mit schwerem Herzen und Gewissensbissen…Dann saßen wir endlich im Zug und als er sich langsam und fauchend in Bewegung setzte, löste sich alles in mir und ich begann, mich zu verwandeln. Reisen, das heißt für mich, ein anderes Leben beginnen. Das bin dann nicht mehr ich, mein Denken wird anders, mein Fühlen wird anders und wenn ich mich im Spiegel anschaue, ist mein Gesicht verändert. Alles ist stark und klar.‘“ Zitat Ende (Angelika Schrobsdorff: „Du bist nicht so wie andre Mütter“).

Ich verstehe Else und ihren Zwiespalt nur zu gut, es ist auch meiner. Und wie Else weiß ich, dass es gar nicht anders geht; es gibt keine Alternative. So sehr ich meine Kinder liebe, so sehr brennt in mir das Reisefieber. So traurig ich bin, dass diese Reise sich dem Ende nähert, so sehr freue ich mich darauf, meine Kinder in ein paar Tagen wieder in die Arme zu nehmen. Wenn man mich an meiner Liebe misst, bin ich die beste Mutter der Welt.

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