Montag, 2. April 2018
Die Getty Villa
Ich stehe vor Ruinen, blinzele dreimal kurz und schon erscheint der Palast in voller Pracht. Das stelle ich mir immer mal wieder vor, wenn ich vor den Überresten eines Gebäudes stehe, zuletzt in Ankor Wat. Die Getty Villa ist eine Rekonstruktion der Villa dei Papiri, die seit mehr als zweitausend Jahren unter Lava begraben liegt. Jean Paul Getty besucht die Ausgrabungsstätte in Neapel immer wieder; er möchte zu gern sehen, wie die Villa die Papiri einst ausgesehen hat. Gesagt, getan. Getty nimmt die Pläne des Archäologen und lässt die Villa bauen. Als reichster Mensch der Welt kann er sich das problemlos leisten – außerdem hat er keinen Platz mehr für seine vielen Kunstschätze. Sein Kunstgeschmack ähnelt dem von Adolf Hitler; er mag die Antike, die alten Römer und Griechen.



Mir gefällt, dass ich diesmal nicht blinzeln muss, sondern das Gebäude wie neu vor mir steht. Und dann beschäftigt mich die Geschichte des Hausherrn. Gerade erst ist der Film in die Kinos gekommen: „Alles Geld der Welt“. Es geht um die Entführung von Gettys Enkel und den Unwillen des Großvaters, das geforderte Lösegeld in Höhe von siebzehn Millionen Dollar zu zahlen. Kein Wunder, ist doch die bucklige Verwandtschaft größtenteils dem Drogenwahn verfallen und der kühl kalkulierende Patriarch vermutet zunächst eine Inszenierung des Enkels. Aber auch die Mafia oder zukünftige potentielle Entführer mag Getty nicht unterstützen. Angesichts eines Steuerfreibetrages von gut zwei Millionen Dollar zahlt Getty dann doch knapp drei Millionen Dollar – nicht ohne seinen Sohn mit der Differenz zum Freibetrag zu belasten. Der Enkel wird freigelassen, büßt jedoch ein Ohr und seinen Verstand ein.

In vielen Medien ist die Rede von einem Fluch, der auf den Gettys laste. J. Paul Getty betrifft das eher nicht. Er macht sein Vermögen selbst und liebt seine Arbeit genauso wie die Kunst, die er sammelt. Anders diverse seiner Nachkommen, die ihrer Drogensucht erliegen. Sie brennen für nichts; vielleicht verbrennen sie sich deshalb selbst. Das Problem dieser reichen Kinder ist vielleicht das folgende: Sie können machen, was sie wollen, aber wissen nicht, was das ist. Geld allein macht nun mal nicht glücklich.

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