Dienstag, 16. Januar 2018
Umzug mit Hindernissen
Da wir ja beschlossen haben, drei Wochen länger in Sydney zu bleiben, Jessys Wohnung aber neu belegt ist, ziehen wir heute um - ganz sportlich zu Fuß. Es ist nur ein Weg von zwölfhundert Metern, aber der hat es in sich. Immer wieder brauche ich eine kurze Pause mit all dem Gepäck. Zum Glück müssen wir nicht bis fünfzehn Uhr warten, sondern können schon früher einchecken. Denkste! Es ist ein Self-Check-In, das heißt, wir bekommen einen Code und öffnen damit eine Schlüsselbox, die sich im Briefkasten befindet. So weit, so gut. Ich öffne die Box und sie ist…leer.

Unten im Haus ist ein Café mit gratis WLAN. Ich logge mich ein und kontaktiere unsere neue Vermieterin Lynn. Keine Antwort. Ich gehe ums Haus und entdecke die Klingel. Über die Gegensprechanlage meldet sich eine weibliche Stimme – die Putzfrau. Sie habe den Schlüssel, sei zwar noch nicht fertig, aber wir könnten unser Gepäck schon mal hochbringen. Das Apartment ist im sechsten Stock und den Fahrstuhl können wir ohne Schlüsselkarte nicht benutzen. Nach kurzem Hin und Her kommt sie mit dem Lift zu uns herunter und holt uns ab.

Es stellt sich heraus, dass die junge Frau aus Köln stammt und sich in Australien Geld fürs Studium verdient: „Ungelernte Kräfte werden hier gut bezahlt.“ Wir sind froh, dass wir die Koffer abstellen können und beschließen, nochmal rauszugehen, damit sie in Ruhe weiterarbeiten kann. Wenn sie fertig ist, legt sie den Schlüssel unten in die Box; den Code haben wir ja.

Fast direkt nebenan entdecken wir eine große Lagerhalle. Auf dem Schild steht „Lunatiques – Crazy for anything old“. Verrückt und alt, das passt zu uns!



Drinnen erwartet uns die reinste Wunderwelt. Antikes und Trödel, aus Haushaltsauflösungen oder auf alt gemacht – wer weiß das schon. Wir entdecken ein siebeneckiges Fahrrad für sieben Personen, ein Conference Bike. Alle treten, einer steuert. Dabei sitzen die Radfahrer im Kreis und die Energie wird auf drei Räder umgelenkt. Lustig!



Arnd setzt sich auf einen alten Friseurstuhl. Dann wandern wir durch die Halle. Antike Möbel im Shabby-Chic-Look, knallbunte Designerstücke aus den Sechzigern und Siebzigern, Bücher, Schallplatten, Ölgemälde, Champagnerflaschen, Instrumente, Geweihe, Schmuck, Geschirr, Silberbesteck, Lampen, Kleidung, Elektrogeräte – es gibt wieder einmal nichts, was es nicht gibt.



Die Halle ist in kleine Sektionen unterteilt, die offenbar von einzelnen Verkäufern betrieben werden. Teils sind es professionelle Händler, teils sieht es nach Flohmarkt aus. Sehr inspirierend! Ich kenne das Konzept schon aus Dänemark und den USA und auch in Flensburg gibt es den Laden Komm4buy, der so etwas in kleinem Rahmen macht. Tolle Sache. Aber hier ist es noch einen Tick anders. Jeder Bereich scheint eine Geschichte zu erzählen; es sind kleine Wohnwelten, ein bisschen wie bei Ikea, nur in alt.



Die Zeit vergeht wie im Flug und auf einmal ist es schon 15.30 Uhr. Die Wohnung müsste inzwischen bezugsfertig sein. Wir gehen zurück und wieder öffne ich die Schlüsselbox. Sie ist…leer. Wieder klingele ich, eine Stimme ertönt aus der Gegensprechanlage und ich frage auf deutsch, ob die Wohnung fertig sei. Die Antwort kommt auf englisch und dann die Frage: „Is this your luggage in the apartment?“ Der Summer ertönt und ich erkläre auch meinen offenbar neuen Gesprächspartnern, dass ich nicht nach oben fahren kann. Der Fahrstuhl öffnet sich; heraus kommen eine Frau und ein Mann in unserem Alter. Eine weitere Frau wartet im Apartment. Die drei sind Touristen aus England. Einer von Lynns Mitarbeitern hatte ihnen gesagt, sie sollten heute das Apartment wechseln und hier einziehen. „We share this place with you!“, lacht die zweite Frau.

Natürlich meint sie das nicht ernst. Die drei sind sehr nett und können zum Glück in Lynns andere Wohnung zurückkehren; den Schlüssel dafür hatten sie sicherheitshalber noch nicht abgegeben – sie hatten wohl schon so eine Ahnung. Jetzt endlich kriegen wir von ihnen den Schlüssel zu unserem Apartment. Per Mail entschuldigt sich eine von Lynns Mitarbeiterinnen (wie viele Angestellte hat sie wohl für ihre drei Wohnungen?!) für die Verwirrung, nachdem ich ihr erklärt habe, was passiert ist. Endlich können wir unsere Koffer auspacken. Dann laufen wir nochmal los: Unsere Vorräte gehen zur Neige, Aldi und Woolworth rufen.



Da sind wir also, in unserem neuen Zuhause für drei Wochen in einem Gebäude, das schon bessere Tage gesehen hat. Die Wohnung ist noch etwas fremd und nicht ganz sauber, aber das bessern wir nach in der stillen Hoffnung, dass das Mädchen aus Köln bald einen anderen Job finden möge, der ihr mehr liegt.

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