Dienstag, 20. Februar 2018
Es geht auch anders
Was geschah nach dem Civil War (1861-1865)? Wie kann es sein, dass die St. Joseph Plantage bis heute Zucker produziert, obwohl doch die Sklavenhaltung so maßgeblich war für den erfolgreichen Betrieb einer Plantage? Silvia, eine wunderbare siebzigjährige ehemalige Englischlehrerin, führt uns herum und beantwortet all meine Fragen.



1857 werden Josephine und Alexis Ferry Eigentümer der Farm, die wir heute besichtigen. Vier Jahre später bricht der Krieg aus und ihre Existenz zusammen. Danach ist alles anders. Die Eigentümer verlieren mit den Sklaven nicht nur die Arbeitskräfte, sondern einen Großteil ihrer Aktiva. Der Wert der Plantage mit allen Gebäuden beträgt 40.000 Dollar, dazu kommt das Mobiliar mit 71.000 Dollar. Die dreiundvierzig Sklaven kosten soviel wie das Inventar, ebenfalls 71.000 Dollar, das entspricht einem heutigen Wert von 1.775.000 Millionen Dollar. Dieses Geld ist von einem Tag auf den anderen verloren.

Josephine und Alexis versuchen zu überleben, können aber irgendwann die Grundsteuern nicht mehr bezahlen und 1877 wird die Plantage zwangsversteigert. Ein Spekulant kauft sie für 18.000 Dollar, um sie eine Woche später für 25.000 Dollar an Joseph Wagensbach wieder zu verkaufen. Joseph wird finanziell unterstützt von seiner in Frankreich lebenden Tante und macht sich an die Arbeit. Immer noch leben die befreiten Sklaven in ihren Hütten. Wo sollen sie auch hin? Sie kennen nichts anderes als das Sklavendasein. Joseph beschäftigt sie als bezahlte Arbeiter, packt selbst mit an und nach langen Jahren der Mühsal wird die Farm wieder profitabel. Reich kann man so nicht werden, aber man hat sein Auskommen.



Heute lebt und arbeitet hier die siebte Generation der Familie. Erst seit etwa fünfzig Jahren erleichtern Maschinen die Arbeit. Aber nicht nur der Zucker verdient Geld. Auch die Lage am Mississippi lohnt sich; die Liegeplätze am Ufer sind bares Geld wert.



Dazu kommt der Museumsbetrieb und die Vermietung der Location für Filmaufnahmen. Man sieht: Es geht auch ohne Sklavenarbeit.

Im Museumsshop unterhalten wir uns noch eine Weile sehr angeregt mit Silvia. Der Besuch hier tut mir gut. Silvias Perspektive ist eine andere als die von Ali. Ali ist persönlich betroffen vom Schicksal seiner Vorfahren; seine sehr emotionale Führung hat mich tief berührt, aber auch irgendwie hilflos zurückgelassen. Was soll man auch denken und fühlen, wenn Menschen anderen Menschen so furchtbare Dinge antun? Menschenhandel und Sklaverei hat es immer schon gegeben. Es ist ja auch nicht so, dass es für die Europäer schwierig gewesen wäre, Sklaven zu bekommen. Sklaverei war in Afrika gängige Praxis und die Europäer bekamen ihre Arbeitskräfte frei Hafen geliefert – von afrikanischen Stammesfürsten, die andersstämmige Menschen loswerden wollten. Heute nennt man das ethnische Säuberung. Wie gesagt: Die Liste derer, die vom Menschenhandel profitierten, ist unglaublich lang.



Mich tröstet heute die Geschichte der Wagensbachs. Die Plantage gehört immer noch der Familie; inzwischen sind es dreihundert Anteilseigner, von denen sich ungefähr einhundert jedes Jahr zur Aktionärsversammlung treffen und ihr kleines Unternehmen feiern. Manch einer, der hier zur Welt gekommen ist, ist auch hier gestorben und hatte ein arbeitsreiches, aber gutes Leben. Dann erzählt Silvia uns von einem älteren farbigem Mann, der 2016 an ihrer Führung teilnahm - kurz nach einem Attentat auf weiße Polizisten in Dallas, nachdem vorher zwei Schwarze erschossen worden waren. Der Besucher sagte mit Blick auf die ehemaligen Sklavenhütten in etwa folgendes: „Hier habe ich die glücklichsten Jahre meines Lebens verbracht. Für mich ist das der friedlichste Platz der Welt. Es ist so schrecklich, was in der Welt passiert. Ich musste einfach herkommen, um Frieden zu finden.“ Er hatte mit seiner Familie in einer der Hütten gelebt und in seiner Kindheit gab es auf der Plantage - anders als draußen - keine Rassentrennung (wir erinnern uns: erst 1964 wurde die Rassentrennung aufgehoben – zumindest offiziell). Mit Tränen in den Augen schwärmte er von seiner glücklichen Kindheit. Auch das ist Teil der Geschichte.

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