Samstag, 25. November 2017
Wirre Welt
Unser Uber-Fahrer spricht englisch und hat das Bedürfnis, sich uns mitzuteilen. Er würde gern reisen, wird aber niemals die dafür nötigen Papiere bekommen. Er schimpft über die Regierung, die Korruption, die Höhe der Steuern. Es gäbe kein Sozialsystem, den Arzt und die Schule müsse jeder selbst bezahlen und wenn man dann 25 Jahre gearbeitet und Steuern gezahlt habe, bekäme man eine Rente, die nicht zum Leben und nicht zum Sterben reiche. Jeder versuche so viel wie möglich schwarz zu verdienen, damit man dem Staat, der nichts für seine Bürger tue, so wenig wie möglich geben müsse. Das ist also der real existierende Kommunismus aus Sicht eines Teilzeittaxifahrers.

Nachdenklich steigen wir an der Pagode des Jadekaisers aus. Ich erwarte wie im Reiseführer beschrieben eine kleine Parkanlage mit romantischen Tempeln und werde ziemlich enttäuscht. Die Anlage ist heruntergekommen und schmutzig, die Luft ist stickig und so voller Räucherstäbchengewaber, dass ich kaum atmen kann. Vor jedem der prächtigen Altäre steht ein großer Panzerknacker-Tresor für Opfergaben und auch Naturalien werden fleißig gespendet. Obst, Flaschen und originalverpackte Kekse aus dem Supermarkt finden sich auf den Altären. Mich wundert, dass niemand die Schuhe auszieht. Viele Gläubige beten, Touristen schauen und fotografieren. Es ist sehr ruhig. Ich fühle mich seltsam. Einerseits ist da die innige Andacht der Gläubigen, andererseits dieses Gebäude, das so ungepflegt, schäbig und vermüllt wirkt. Irgendwie passt das für mich nicht zusammen. Auch Arnd empfindet das so und wir machen uns verwirrt auf den Weg in den Nachmittag.



Wir passieren das History Museum und erreichen den imposanten Eingang des Tierparks. Eine grüne Oase ist jetzt genau richtig. Denkste. Der Zoo wurde 1865 von einem Franzosen gegründet und war bestimmt mal schön. Jetzt ist er es nicht mehr; man kann es mit einem Wort zusammenfassen: Renovierungsstau. Die Wege sind ungepflegt, das Pflaster an vielen Stellen kaputt, die Gehege sind so schmutzig wie die Tiere bemitleidenswert. Ich stelle mir vor, wie es hier in besseren Zeiten ausgesehen hat. Ich mag Vergnügungsparks, ich liebe Disneyland und das hier war mal ein Mini-Disneyland. Ich stelle mir Kinder in den kleinen bunten Tretbooten vor. Es gibt einen Mini-Wasserpark, hübsche kleine Karusselle und lustige Schießbuden. Jetzt ist alles geschlossen und modert vor sich hin. Nur im Zentrum lärmt, blinkt und glitzert es. Ein seelenloser greller Jahrmarkt ist dort aufgebaut, aber auch da sind kaum Menschen. Und das am Samstag, dem Familienzootag. Nein, hier fühlen sich nur die Ratten wohl. Gerade flitzt wieder eine über den Weg.



Puh, raus hier und rein in den Feierabendverkehr. Und zack, sind wir im District 1 in einer vollkommen anderen Welt. Überall Weihnachtsdekoration. Eine riesige Einkaufsmall lockt uns. Nein, wir wollen nicht shoppen, sondern Aircon, WC, WLAN, Burger & Coke. So ein Konsumtempel hat durchaus seine Vorzüge. Und jetzt wissen wir auch, wo die Menschen sind: Hier! Es ist Black Friday und sie konsumieren, als ob es kein Morgen gäbe. Dieser Tempel ist top gepflegt, alles blitzt und glänzt. So werden nun mal die Prioritäten gesetzt. Geld regiert die Welt.

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