Sonntag, 18. Februar 2018
Schäbig wohnen in New Orleans
Das Scarlettfieber hat mich voll erwischt; ich will die Plantagen des Südens entdecken. Die Magnolia Mound Plantage hier in Baton Rouge ist ein guter Anfang; wir besichtigen das Haus des Plantageneigners, die Unterkunft der Sklaven und ihres Aufsehers, das Küchenhaus, das Haus für die Notdurft und den Taubenschlag. Der nette ältere Herr, der uns herumführt, erzählt von anderen Plantagen, die noch weit spektakulärer seien als diese eher bescheidene Farm.



Nach dem Rundgang setze ich mich auf eine der steinernen Bänke vor dem Besucherzentrum und in mir reift der Plan für die nächsten Tage: Ähnlich wie in Sydney möchte ich die Geschichte der Gegend anhand der Häuser aus der Zeit begreifen. Für Arnd ist das okay; er möchte außerdem gern zwischendurch wieder ein bisschen sesshaft werden und wieder einmal richtig auspacken. Zwischen uns liegt der ausgebreitete Lageplan der „Historic Plantation Homes“, den wir soeben im Besucherzentrum bekommen haben. Dem Flusslauf des Mississippis folgend reiht sich eine Plantage an die nächste. Schnell stellen wir fest, dass sich die interessantesten Ziele am besten von New Orleans aus erkunden lassen. Also buchen wir dann doch eine Unterkunft in Kenner, einem Vorort von New Orleans: ein ganzes Haus mit drei Schlafzimmern nur für uns alleine. Der Preis ist verhältnismäßig günstig und als ich die Beurteilungen früherer Gäste lese, wird mir schnell klar, dass wir wahrscheinlich nicht die nobelste Unterkunft gebucht haben.



Als wir nach knapp zwei Stunden Fahrt ankommen, ist es schon dunkel. Im Häuschen ist Licht und wir klopfen. Aaron, der Besitzer, öffnet strahlend die Tür. Hinter ihm wirbeln zwei Frauen durch die Räume. Offenbar sind sie dabei, klar Schiff zu machen. Aaron sagt: „We had a late check out, the cleaner didn´t come and now there´s an emergency cleaning going on.“ Arnd und ich beschließen, erstmal einzukaufen und später zurückzukommen. Auf dem Weg zum Walmart wappnen wir uns schon für die Rückkehr, denn eins ist klar: Diese Woche werden wir nicht im Luxus schwelgen.



Das Haus ist sehr alt und sehr einfach. Arnd sagt, es gehört abgerissen. So schnell kann´s gehen mit dem sozialen Abstieg. Heute Morgen haben wir noch im hauseigenen Fitnessstudio trainiert, heute Abend sind wir froh, dass der Kühlschrank funktioniert. Auf jeden Fall gibt es einen deutlichen Renovierungsstau. Aber mit viel gutem Willen erkenne ich den Shabby Chic und sehe die vielen kleinen bunten Akzente, die diese Bretterbude wohnlich machen. Aaron hat das Haus wohl günstig bekommen und versucht, so herzurichten, dass er damit Geld verdienen kann. Ich sehe den guten Willen, schalte das Radio an, packe aus und bitte Arnd, uns Burger zu braten. Das Gute: Wir haben wieder ein eigenes Reich nur für uns, das zwar schäbig ist, aber immerhin gut riecht. Arnd sagt: „Man darf bloß nicht genau hinsehen.“ Das trifft sich gut, ich habe die Brille abgenommen. It´s all part of the experience.

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Auf Scarletts Spuren
Nur ungern verlasse ich die Unterkunft in Mobile. Wieder einmal wäre ich gern länger geblieben, aber schon heute kommen neue Gäste. Auch Ken, der Vermieter dieser tollen Wohnung, bekommt zwei meiner Kunstwerke, die - wie ich finde - gut hierher passen.

Um 11 Uhr brechen wir auf, um uns in Mobile auf die Spuren der Südstaatler zu machen. Nicht nur in Sydney gibt es historische Häuser, die sich zu besichtigen lohnen. Ich suche das Bragg-Mitchell-Mansion aus und fühle mich beim Anblick der hohen weißen Säulen des herrschaftlichen Anwesens wie Scarlett O´Hara aus „Vom Winde verweht“. Wer den Film gesehen oder das Buch gelesen hat, hat eine Ahnung davon, wie sehr der amerikanische Bürgerkrieg vor über einhundertfünfzig Jahren (1861-1865) das Leben der Südstaatler veränderte. Im Süden gab es Plantagen und Sklaven, im Norden Industrie, der Süden hatte Werte, der Norden Geld. Nach der Niederlage des Südens war hier wohl nichts mehr wie zuvor.



Die Dame, die uns durch das Bragg-Mitchell-Haus führt, erzählt davon, wie der einstige Besitzer John Bragg seine Möbel vor den anrückenden Unionstruppen in Sicherheit bringen wollte. Er ließ alles fortbringen zu seiner weit entfernt liegenden Plantage. Unglücklicherweise brannte dann dort alles nieder und Mobile blieb wider Erwarten verschont – wie man´s macht, ist´s verkehrt. Heute erstrahlen Haus und Park in alter Pracht und vor meinem geistigen Auge sehe ich Scarlett die Treppe hinabsteigen.

Mit uns nimmt ein Ehepaar aus Virginia an der Führung teil. Sie hat deutsche Wurzeln, er war Soldat in Vietnam und beide empfehlen uns den Besuch des Hauses Beauvoir in Biloxi. Das hört sich gut an. Biloxi liegt auf unserem Weg Richtung Westen und wir entscheiden uns, dort zu halten.

Wir zuckeln ganz gemütlich an der sonnigen Golfküste entlang und schon eine Stunde später sind wir in Biloxi, Mississippi. Der Name Beauvoir kommt nicht von ungefähr: der Blick auf den Golf von Mexiko ist wunderschön.



Unser Guide ist eine energische ältere Lady im Scarlettkleid. Sie führt uns durch das ursprünglich als Ferienhaus erbaute Anwesen, das später die letzte Wohnstatt des einzigen Präsidenten der Konföderation wurde: The last home of Jefferson Davis.



Nach dem verlorenen Krieg war Davis heimat- und mittellos. Die Eigentümerin von Beauvoir verehrte ihn, nahm ihn mit Frau und Tochter auf und machte ihn dann zu ihrem Erben. Haus, Museum, Bibliothek und Friedhof sind heute eine Pilgerstätte für Menschen, die immer noch ein bisschen dem Glanz der Südstaaten nachtrauern.



Zurück im Auto suche ich im Internet nach einer Unterkunft für diese Nacht. New Orleans scheint mich nicht zu mögen; jedenfalls finde ich nach wie vor keine Unterkunft, die mir gefällt. Also wird New Orleans genau wie Hawaii und die Bahamas vorerst auf uns verzichten. Mein Gefühlskompass zeigt stattdessen auf Baton Rouge, Louisiana.



Nach drei Stunden erreichen wir unser Ziel. Wir übernachten in Lisas brandneuem Apartment in einer schicken Wohnanlage, die sogar – oh, Freude! - über Fitnessraum, Swimmingpool und Billardtisch verfügt. Letzteren probieren wir gleich aus; Arnd ist ein guter Verlierer.

Unsere Bilanz bis heute: Nach fünf Tagen haben wir mit Florida, Georgia, Alabama, Mississippi und Louisiana ganz gemütlich fünf Bundesstaaten bereist und schon ein Viertel der Strecke Miami – San Francisco hinter uns gebracht. Ohne Stress, ohne Autobahn und ohne Maut.

Just in diesem Moment spielt im Radio die Titelmusik aus „Vom Winde verweht“ – ist das schön!

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Freitag, 16. Februar 2018
Mobile, Alabama
Nach dem Frühstück draußen auf der Terrasse (mit Kaffee aus frisch gemahlenen Bohnen!) mache ich mich an die weitere Reiseplanung. Die Idee ist, heute nach New Orleans zu fahren, aber keine der angebotenen Unterkünfte fühlt sich richtig an. Also packen wir unsere Sachen zusammen und fahren erstmal zum Ölwechsel und danach zum Pensacola Yacht Club, den Arnd sich angucken möchte. Der Segelclub wirkt alt und gediegen, ist sehr gepflegt und liegt einfach traumhaft.



Schon ist es 15 Uhr - in zweieinhalb Stunden geht die Sonne unter. Von der Fahrt am Meer entlang hätten wir im Dunkeln herzlich wenig, also beschließen wir, heute nur bis Mobile, Alabama (die Heimat von Forrest Gump) zu fahren. Mit der Airbnb-App finde ich dort sofort eine Unterkunft (diesmal wieder ohne Familienanschluss, also für uns alleine) und als wir gegen 17 Uhr ankommen, bin ich schwer begeistert. Das Apartment ist Teil eines alten viktorianischen Hauses und sehr stylisch im Shabby Chic Look eingerichtet. Tolle Bilder schmücken die Wände und jedes Möbelstück ist ein Hingucker. Außerdem gibt es eine Waschmaschine, die ich gleich in Betrieb nehme.



Dann gehen wir zu Fuß zur Dauphin Street, um in einem der Restaurants heute mal mexikanisch zu essen. Das Lokal ist gut besucht; ansonsten wirkt die Straße ziemlich ausgestorben. Auf dem Heimweg fallen mir großflächige Wandmalereien auf, die mir genauso gut gefallen wir unsere kleine feine Wohnung. Morgen bei Tageslicht werden wir uns die Stadt noch etwas genauer ansehen.

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Einmal von Florida nach Georgia und zurück
Nur noch fünfzehn Grad Celsius hier in Ocala im Norden von Florida. Ich friere. Ohne Frühstück fahren wir um 9 Uhr los und steuern den nächsten McDonald´s an. Unser Ziel ist heute Pensacola, ein kleiner Ort am Golf von Mexiko ungefähr auf halber Strecke zwischen Ocala und New Orleans. Arnd fährt (natürlich wieder durch die Wallapampa) und ich spiele Songs, die zum Roadtrip passen.



Um 14 Uhr nähern wir uns Tallahassee, der Hauptstadt von Florida. Ich überlege, ob sich ein Abstecher lohnt und das Internet nennt mir als Sehenswürdigkeit in der Nähe die Pebble Hill Plantage in Thomasville, Georgia. In Georgia waren wir beide noch nicht und beschließen kurzerhand, einen Umweg dorthin zu machen. Der Weg führt uns durch Tallahassee, so dass wir auch davon einen Eindruck bekommen.

Um 15 Uhr sind wir in Thomasville. Uns erwartet ein elegantes Herrenhaus mit knapp zweitausendfünfhundert Quadratmetern Wohnfläche, etlichen Neben- und Stallgebäuden und mehr als eintausendzweihundert Hektar Land. „Vom Winde verweht“ lässt grüßen!



Die Geschichte: 1901 kauft ein schwerreicher Nordstaatler diese ehemalige heruntergekommene Baumwollfarm und gleich noch zwei weitere Anwesen, lässt sie renovieren und verschenkt sie an seine Kinder. Tochter Kate bekommt Pebble Hill. Fortan verbringt die Familie die Sommerzeit zuhause in Cleveland, Ohio und das Winterhalbjahr hier in Georgia, wo das Klima deutlich angenehmer ist als im kalten Norden (meine Rede!). Kate baut die Farm aus; sie ist Bauherrin aus Leidenschaft, außerdem Rinderzüchterin, Tier- und Menschenfreundin. Tochter Pansy tritt in ihre Fußstapfen; vor allem ist sie eine äußerst erfolgreiche Reiterin. Das obere Stockwerk des Herrenhauses beherbergt ihre Galerie: Pansy sammelt Gemälde von Hunden, Pferden und Vögeln. All das vermacht Pansy einer Stiftung, die seit 1983 dafür sorgt, dass Pebble Hill erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Wieder erleben wir Geschichte hautnah; so also lebten die oberen Zehntausend der USA im zwanzigsten Jahrhundert. Der Abstecher nach Georgia hat sich gelohnt. Jetzt haben wir allerdings noch einige Stunden Autofahrt vor uns; erst um 21.30 Uhr erreichen wir Pensacola.



Unsere Gastgeber Brendan und Susan heißen uns herzlich willkommen; in ihrem großen Haus haben wir die obere Etage ganz für uns. Wieder eine sehr schöne Airbnb-Unterkunft für kleines Geld. Ich bin müde und sehr zufrieden mit dem Tag.

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Mittwoch, 14. Februar 2018
Langsam reisen
Drei meiner Malereien haben eine neue Heimat; sie bleiben bei Stephen und Mauricio. Ich kann nicht mit nach Deutschland nehmen, was ich in den vergangenen zwei Jahren in Miami so alles ge- und bemalt habe und so beschließe ich, mich nach und nach schweren Herzens von meinen Bildern zu trennen. Ich verbinde Gefühle und Gedanken mit jedem einzelnen von ihnen und weiß noch genau, wie sie entstanden sind. Ich reise heute ohnehin mit einem weinenden und einem lachenden Auge ab; es ist einfach zu schön hier.



Aber die nächste Etappe wartet. Arnd ist nicht ganz so begeistert von meinen Schleichwegen durch die Wallapampa wie ich. Ich finde es herrlich, so langsam zu reisen, während Arnd sich Gedanken macht, dass wir vielleicht nicht mehr genug Zeit für die wirklich schönen Dinge haben, wenn wir so weitermachen. Heute sitzen wir für knapp vierhundert Kilometer knapp fünf Stunden im Auto – ich finde ja, auch der Weg ist Teil der Reise. Die Landschaft zieht an mir vorbei, ich träume vor mich hin, die Musik ist schön, mal reden wir, mal sind wir still, ich bin tiefenentspannt.



Wir übernachten in Ocala (kennt kein Mensch) wieder in einem Gästezimmer mit eigenem Bad, heute allerdings ohne nettes abendliches Beisammensein. Unsere Gastgeberin Terese schickt uns gleich in den liebevoll hergerichteten Gastbereich mit Kühlschrank und Mikrowelle im Schrank und lässt uns in Ruhe. Wir essen unseren Reiseproviant auf, trinken Dosenbier und gehen früh schlafen, damit wir morgen vielleicht etwas mehr Strecke schaffen. Naja, mal sehen...

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