Dienstag, 13. Februar 2018
Das fängt ja gut an - sehr gut!
Manöverkritik: Arnd, Ulf und ich lassen die letzten fünf Tage Revue passieren. Bei Arnd und Ulf geht es um die Regatta, bei mir um das Drumherum. Dann planen wir die Segelsaison ab Mai unter Berücksichtigung unserer unterschiedlichen Interessen. Die Wogen gehen hoch und beruhigen sich wieder. Ich bin zuständig für Logistik und Versorgung, Arnd und Ulf sind die Segler. Das Schönste: Wir lachen so viel miteinander!



Dann heißt es Abschied nehmen; Ulf wird von Arnd zum Flughafen gefahren und ich packe unsere Siebensachen zusammen. Um 16.44 Uhr verlassen Arnd und ich das „Zuhause in der Hölle“, das keineswegs höllisch war und starten in unser neues Abenteuer: Knapp drei Monate Roadtrip durch die USA.



Vorgabe für diese Reise: Google Maps erhält von mir die Anweisung, Autobahnen und Mautstraßen zu meiden. Unsere erste Station liegt fünfundzwanzig Kilometer vor Naples; wir haben nicht wie sonst die ganze Unterkunft, sondern nur ein Zimmer im Privathaus gemietet, weil wir nur eine Nacht bleiben wollen. Die Bewertungen bei Airbnb waren so fantastisch, dass ich hier einfach buchen musste. Was soll ich sagen? Unsere Erwartungen werden übertroffen.

Nach knapp drei Stunden Fahrt durch die Everglades erreichen wir unser Ziel. Mauricio und Stephen heißen uns herzlich in ihrem wunderschönen Haus willkommen. Wo ich gehe und stehe, entdecke ich wundervolle Artefakte, tolle Möbel und Kunst, wohin man schaut. Selbst der Hund und die beiden Katzen wirken wie hineinkomponiert in dieses Gesamtkunstwerk. Draußen plätschert der Brunnen, ein kleiner Pool ist hübsch beleuchtet, das Lichtkonzept ist genauso liebevoll durchdacht wie die musikalische Untermalung. Ein so schöner Ort mit so netten Menschen – ein Traum!



Das zweite Gästezimmer bewohnt ein junges Paar aus der Schweiz. Genau wie unsere Gastgeber werden sie morgen ziemlich früh das Haus verlassen, so dass wir uns dann noch ganz in Ruhe umsehen und das Ambiente genießen können. Darauf freue ich mich jetzt schon.

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Montag, 12. Februar 2018
Erstklassige Beerdigungen
Ich fahre die Jungs zum Segelclub, dann habe ich frei. Nach drei Vormittagen im Fitnessstudio werde ich heute wieder Geist und Seele bewegen. Ich entscheide mich für das Frost Art Museum. Eine gute Wahl. Gleich am Eingang zur ersten Ausstellung treffe ich zwei Frauen und die ältere der beiden erzählt mir, was es mit „The Birmingham Project“ auf sich hat.

Birmingham, Alabama: Am 15. September 1963 töten vier weiße Männer mittleren Alters, Mitglieder des Ku-Klux-Klans, vier Mädchen (eines gerade elf Jahre, die anderen vierzehn Jahre alt) und verletzen mindestens vierzehn weitere junge Menschen zum Teil sehr schwer. Um 10.22 Uhr explodiert die an der Treppe zur Kirche deponierte Bombe – die Sonntagsschule der Kinder ist gerade zu Ende. Die vier Mädchen sind im Waschraum, als sie sterben. Ein fünftes Mädchen verliert ein Auge, dazu die Schwester und zwei Freundinnen. Eine Woche zuvor hatte der Gouverneur von Alabama erklärt, man brauche, um die Zuwanderung zu stoppen, ein paar „erstklassige Beerdigungen“. Thomas, Herman, Robert und Bobby nahmen die Sache in die Hand.

Dawoud Bey ist zum Zeitpunkt des Attentats zehn Jahre alt, mit elf sieht er ein Foto des fünften Mädchens, wie es mit verbundenen Augen im Krankenhaus liegt. Dieses Bild lässt ihn nicht los; er ist der Fotograf, der fünfzig Jahre später verantwortlich ist für die Ausstellung. Seine Haut ist dunkel, genau wie die der getöteten und verletzten jungen Menschen und Kinder. Fünfzig Jahre nach dem Attentat fotografiert Bey junge und alte Menschen, die heute in Birmingham, Alabama leben. Auf den Schwarz-Weiß-Bildern ist immer ein junger neben einem älteren Menschen abgebildet. Der junge Mensch steht für das Opfer zum Zeitpunkt des Attentats, der ältere steht für den Menschen, der er oder sie heute sein könnte (oder hätte werden können).



Denise, Addie Mae, Carole und Cynthia – ich denke an euch. Ein Jahr nach eurem Tod wurde mit dem Civil Rights Act die Rassentrennung verboten. Eure „erstklassigen Beerdigungen“ haben dazu beigetragen, denn das Attentat veränderte die Gesellschaft. Thomas, Herman, Robert und Bobby, habt ihr wirklich gedacht, ihr tut das Richtige? Dass ihr genau das Gegenteil erreicht habt, tröstet ein wenig.

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Sonntag, 11. Februar 2018
„Wer ständig glücklich sein will, muss sich oft verändern“ - Konfuzius
Dieses Haus hier in Miami ist die siebte Unterkunft auf unserer Reise. Genau genommen die achte, wenn man das Hotelzimmer in Frankfurt mitzählt. Es ist immer die gleiche Prozedur: Wir finden den Weg, checken ein, öffnen alle Türen und Schränke, schnuppern, erkunden. Dann richten wir uns häuslich ein, das heißt, die Dinge bekommen ihre Plätze und damit wird es unser Zuhause auf Zeit.

Jedesmal stelle ich mich neu ein. Ich lerne, wie Waschmaschine und Trockner bedient werden – in Saigon anders als in Miami. Mal sind die Küchengeräte neu, mal fehlt die Hälfte, mal funktioniert der Herd mit Gas, mal ist er elektrisch. Jede Klimaanlage arbeitet ein bisschen anders, der Kühlschrank ist mal klein, mal groß, mal sind die Räume hell, mal ist es düster, mal haben wir viel, mal wenig Platz. Ich lerne neue Wege, finde meinen Platz am Tisch, mache das Bett zu meinem, stapele meine Bücher auf dem Nachttisch, suche Steckdosen, probiere Adapter aus… Und immer ist es nach ein, zwei Stunden heimisch. Dann erkunden wir die Umgebung, finden den nächsten/preisgünstigsten Supermarkt und kaufen unser Essen ein.



Ich liebe diese Wechsel. Alle paar Tage oder Wochen ein kleiner Neubeginn: ich glaube, auch das hält mich jung und beweglich. Mein Tipp für Menschen (vor allem Senioren), die sich nicht trauen umzuziehen: Tauscht doch mal eure Häuser oder Wohnungen untereinander – vielleicht entdeckt ihr völlig neue Seiten an euch.

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