Dienstag, 9. Januar 2018
Input, input, input
Ich glaube, es war im Jahr 2013, da habe ich ein Praktikum im Bestattungshaus Pickardt gemacht. Einer der Kollegen sagte damals, ich bräuchte ganz viel Input. Wörtlich: „Input, input, input!“ Das ist richtig und ich glaube, Sydney kann mir ganz viel Input geben.

Am Montag besuchen wir das Museum of Sydney in der Innenstadt und ich erfahre ganz viel über die ersten Schritte der Europäer auf diesem Kontinent. Im Mai 1787 legten elf Schiffe im englischen Portsmouth ab, an Bord eintausendfünfhundert Menschen, davon rund die Hälfte Strafgefangene. Acht Monate später erreichten sie Australien; unterwegs waren nur siebenundvierzig Menschen gestorben, was für die Zeit ziemlich gut war.

Anfangs bemühte man sich um ein gutes Verhältnis zu den Ureinwohnern, den Aborigines. Später lief wohl einiges aus dem Ruder. Die Europäer hatten Feuerwaffen und damit die Überhand; wir kennen das aus Amerika. Sie drangen weiter ins Landesinnere vor, um neue Anbauflächen zu gewinnen und vertrieben die Ureinwohner. Zudem schleppten sie fremde Krankheiten ein, denen viele Aborigines zum Opfer fielen. Unfassbar traurig, dieser unrühmliche Teil der australischen Geschichte.

Sydney wuchs schnell. 1828 lebten hier fast elftausend Menschen, um 1925 waren es mehr als eine Million und heute sind es fünf Millionen, wobei etwa ein Drittel keine gebürtigen Australier sind.

Einer der ersten gebürtigen Australier mit englischen Wurzeln war William Charles Wentworth (1790–1872), dessen Haus wir heute am Dienstag besichtigen. Das Vaucluse House steht in Sydneys exklusivstem Vorort. Wir nehmen die Fähre vom Stadtzentrum zur Watsons Bay Wharf und ich bin begeistert. Schon die Überfahrt ist ein Genuss mit viel Wind in den Haaren und traumhaften Blicken auf die Stadt. Sehr praktisch: Unsere Opalkarte bezahlt die Überfahrt mit der Fähre genauso wie alle Bus- und Metrofahrten.



Die Bucht ist wunderschön. Wir wandern an tollen Häusern vorbei und erreichen nach einer halben Stunde William Wentworths Haus. William wohnte hier mit seiner Frau Sarah, den gemeinsamen zehn Kindern und sehr vielen Bediensteten (ich glaube, es waren einhundertvierzig). Das Haus ist organisch gewachsen und dadurch ziemlich unübersichtlich – es wurde immer wieder den Bedürfnissen der Familie angepasst. Das Grundstück war damals riesig und beherbergte Nutzgarten, Parkanlage, Waschhaus und Stallungen. Ich finde es immer wieder spannend, durch so ein altes Hause zu gehen und mir vorzustellen, wie die Menschen dort gelebt haben. Wir bekommen eine sehr gute Führung, was für ein Glück.



Es war nicht leicht für die Familie. William und Sarah hatten beide Eltern, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren und zudem waren sie bei der Geburt ihrer ersten beiden Kinder noch nicht verheiratet. Dadurch wurden sie gesellschaftlich nie anerkannt, obwohl William ein angesehener Anwalt und Politiker und maßgeblich an der australischen Unabhängigkeit beteiligt war. In seiner Jugend ist es ihm gemeinsam mit zwei anderen Männern als erstem Europäer gelungen, die Blue Mountains zu überqueren. Damit ebnete er den Weg für die Erschließung von fruchtbarem Land, das es in Sydney so nicht gab. Jeder australische Schüler muss seinen Namen kennen.

Seinerzeit war die Familie zwar sehr reich, doch die gute Gesellschaft wollte nichts mit ihnen zu tun haben - ein großes Problem, wenn man sieben Töchter hat, die verheiratet werden müssen. Die Wentworths bekamen nur wenig Besuch und die eigens dafür eingerichteten repräsentativen Räume wurden kaum genutzt. Zum Ausgleich reisten sie in Europa herum und alle Kinder bekamen eine für damalige Verhältnisse gute Ausbildung – auch die Töchter. Nur eine blieb schließlich unverheiratet, war aber wahrscheinlich damit glücklicher als so manche ihrer Schwestern. Eine starb mit sechzehn, eine mit zweiundzwanzig, eine ließ sich scheiden, eine oder zwei andere wurden von ihren Männern geschlagen. Der älteste Bruder starb mit Anfang dreißig an Überforderung, der jüngste Bruder war Spieler und Lebemann, nur der mittlere war zu gebrauchen. Womit wieder einmal erwiesen wäre: Früher war nicht alles besser und Geld allein macht nicht glücklich.



Nach diesem spannenden Einblick in das Familienleben anderer Leute wandern Arnd und ich die Küste entlang zum Fähranleger Rose Bay. Elbchaussee, Schöne Aussicht und Solitüde können einpacken. Ist das schön hier! Fantastische Häuser mit herrlichem Blick über die Bucht, kleine Strände quasi vor der Haustür, prächtige Parkanlagen, Bootsanleger und über all dem der meist knallblaue Himmel, einfach traumhaft. Beim nächsten Mal nehmen wir Badezeug mit, das ist sicher.



Verschwitzt und müde erreichen wir die Fähre, nehmen dann die Metro und schließlich den Bus, dann sind wir endlich zu Hause. Jetzt noch essen, Blog schreiben und chillen. Gute Nacht!

... link (0 Kommentare)   ... comment


Montag, 8. Januar 2018
Weniger ist mehr - Take your time
Planänderung: Wir bleiben in Sydney. Ursprünglich wollten wir nach zwei Wochen weiterreisen nach Hawaii, dann noch einmal kurz die USA verlassen (angedacht war eine Woche auf den Bahamas) und am 5. Februar in Miami sein, wo Arnd zum Segeln verabredet ist. Nun gefällt Sydney uns so gut und hat so viel zu bieten, dass zwei Wochen einfach nicht ausreichen, um die Dinge in unserem Tempo zu entdecken. Und wir brauchen Zeit, die wir mit Fritz, dessen Tochter Sandra, Amit und Anusha verbringen können und auf gar keinen Fall wollen wir von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten hetzen. Siehe jetzt: Es ist schon wieder nach zwölf Uhr mittags und wir haben gerade mal geduscht, gefrühstückt, Zeitungen gelesen und Mails geschrieben. Oder gestern: Sport und Aldi, das war´s.

Eine neue Unterkunft ist gebucht. Am 16. Januar ziehen wir um in ein Apartment ein paar Straßen weiter. Hier können wir nicht bleiben; die Mitbewohnerin unserer Vermieterin kehrt mit ihrer Mutter zurück und übernimmt die Wohnung. Gleichzeitig haben wir den Flug nach Miami festgemacht.

Wir nehmen uns Zeit - Zeit, um anzukommen, um zu fühlen, den Rhythmus des Ortes aufzunehmen, nichts zu tun, zu schauen, zu sitzen, zu lernen, zu lesen, zu schreiben, zu staunen, zu reden, zu gehen, zu lieben…zu leben... Wie sagt man so schön: In der Ruhe liegt die Kraft. Oder mein persönlicher Lieblings-Arnd-Satz: „Take your time.“

... link (1 Kommentar)   ... comment


Sonntag, 7. Januar 2018
Angekommen
Wir beginnen den Tag so, wie es mir am besten gefällt: Langsam. Nach dem Frühstück dauert es eine ganze Weile, bis wir uns aufraffen, um im Fitnessraum zu trainieren. Dort an der Wand hängt ein großer Bildschirm. Erst läuft „Die bezaubernde Jeanny“, dann der Zeichentrickfilm „Rapunzel“. Zu schön, da läuft das Training ganz nebenbei. Anschließend schwimmen wir ein paar Bahnen im Indoorpool. Draußen ist es heute extrem heiß, neununddreißig Grad. Keine Wolke am Himmel, enormes Sonnenbrandrisiko. Da ist es besser, mittags drinnen zu bleiben.

Einige Stunden später schultern wir unsere Rucksäcke und wandern zu Aldi; wir wollen einkaufen. Für den Rückweg nehmen wir den Bus - voll beladen, wie wir sind. An der Haltestelle sitzt ein junges Paar aus dem Schwarzwald. Sie sind seit neun Monaten in Australien unterwegs: Work and travel.

Zuhause angekommen, kümmere ich mich um die Wäsche und Arnd sich um das Abendessen – sehr lecker! Satt und zufrieden lehne ich mich danach zurück, trinke endlich mit einem Glas Sekt auf das neue Jahr und fühle mich in Sydney angekommen.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Museum und alte Freunde
Oh nein, schon 11 Uhr! Ich wollte doch früher aufstehen! Nun denn, dann jetzt aber hoch, duschen, frühstücken. Wir sind sooo langsam und brechen erst gegen 13.30 Uhr auf. Mir steht der Sinn nach Museum und nach einer kurzen Fahrt mit der Metro landen wir im Justice & Police Museum. Wir kaufen den Sydneys Museums Pass, der uns Eintritt in zwölf Museen und dazu noch in diverse historische Häuser gewährt und begeben uns in die Unterwelt.

Den Nachmittag verbringen wir mit der kriminellen Geschichte Sydneys und erfahren bei der Gelegenheit auch, wie grausam die europäischen Einwanderer mit den eingeborenen Aborigines umgingen. Sie wurden getötet und entrechtet. Ihr Land, mit dem sie sich als Einheit fühlten, wurde ihnen genauso entrissen wie ihre Kinder, die europäisch erzogen werden sollten. Heute sind viele der übrig gebliebenen Aborigines kriminell und/oder alkoholsüchtig.

Im Museum kann man genau verfolgen, wie es einem Verdächtigen ging - vom Verdacht über die Verfolgung und Verhaftung bis hin zu Anklage und Verurteilung. Arnd und ich setzen uns spaßeshalber verkleidet auf die Anklagebank. So ganz kalt lassen mich die Schicksale der Menschen aber nicht.



Das Museum schließt um 17 Uhr. Wir wandern durch die Royal Botanic Gardens und den Hyde Park. Hier findet gerade der Auftakt zum Sydney Festival statt. Die Side Show ist ein kleiner Jahrmarkt; interessant ist das Karussell: Wer auf dem Einhorn sitzt, darf Karaoke singen.



Am Abend sind wir mit Amit und seiner Frau Anusha verabredet. Amit ist ein ehemaliger Arbeitskollege von Arnd. Er und Anusha stammen aus Indien, haben einige Jahre in England gelebt und wohnen seit 2014 in Sydney. Amit und Arnd haben sich viel zu erzählen und ich unterhalte mich sehr gut mit Anusha. Die beiden haben Arnd ganz anders erlebt - immer unter Strom und eher unentspannt. Ich bin froh, dass das jetzt ganz anders ist. Nach einem guten Essen, Wein und Bier verabreden wir, dass wir uns an einem der nächsten Abende noch einmal treffen.



Sydney ist so interessant, vielleicht verlängern wir unseren Aufenthalt hier.

... link (0 Kommentare)   ... comment