Freitag, 22. Dezember 2017
Abend mit Klaus
Ich habe ja doch leichte Kopfschmerzen nach gestern, raffe mich aber auf und beginne den Tag mit einer Runde im Pool. Dann macht Arnd uns amerikanisches Frühstück mit Bacon & Eggs. Heute hat Matti Geburtstag; mein Sohn wird achtzehn. Sorry for not being with you. Eine Überweisung ist unterwegs und mit Freunden zu feiern ist mit Sicherheit cooler als mit Mama. Meine Gedanken sind bei meinem Kind; wir machen FaceTime und ich sehe, es geht ihm gut.

Ich verbringe den größten Teil des Tages am Pool und bilde mich mit einem Hörbuch aus der Onleihe der Flensburger Stadtbibliothek weiter: „Und Marx stand still in Darwins Garten“ von Ilona Jerger. Beim anschließenden Billard unterliege ich hoffnungslos – Arnd gewinnt haushoch. Dann sind wir mit unserem Vermieter Klaus verabredet; er will uns ausführen. Zum Aperitif fahren wir hoch zu ihm in den dreiunddreißigsten Stock. In der Tiefgarage besteigen wir dann seinen VW Polo und Klaus fährt uns in die Wallapampa. Hier leben malaiische Ureinwohner - arm, aber glücklich.

Arnd sieht mich zweifelnd an. Hier sollen wir essen?! Die Wege sind unbefestigt, Hunde und Kinder laufen herum, die Hütten sind mit Brettern vernagelt. Klaus parkt das Auto und wir gehen über einen wenig Vertrauen erweckenden Holzsteg. Am Ende erwartet uns tatsächlich ein auf Stelzen gebautes Restaurant. Klaus bestellt Langusten und Fisch mit Reis und grünem Blattgemüse. Dazu gibt es Bier aus großen Flaschen. Lecker!



Klaus redet ohne Punkt und Komma – über Korruption, Malaien und Chinesen, Singapur und die Macht des Geldes. Es ist nicht ganz leicht, ihm zu folgen. Ich verstehe, dass ihm die einfachen Menschen am Herzen liegen. Die Malaien seien nicht ehrgeizig, würden aber auch nicht gefördert, sondern mit sozialen Wohltaten klein gehalten. Ganz im Gegensatz zu den Singapurianern und Chinesen, die das Geldmachen augenscheinlich erfunden haben.

Ich glaube, wir haben hier einen Zipfel von Malaysia zu fassen, den bestimmt nicht viele Ausländer kennenlernen. Wir werden von sehr freundlichen jungen Leuten bedient und ich fühle mich richtig wohl. Aus der Küche erklingt Weihnachtsmusik; das Lokal nebenan ist heute bereits wegen Weihnachtsurlaub geschlossen. Auch in Flensburg sind die Weihnachtsvorbereitungen in vollem Gange und bestimmt sind die Gefühle hier und dort gar nicht so verschieden.

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Ladies night
„Du bist sehr direkt. Bist du Psychologin oder sowas?“, fragt mich Klaus, unser Vermieter. Heute ist Ladies Night im Rock Bottom und dementsprechend angeschickert bin ich. Trotzdem höre ich Klaus zu und analysiere auch noch so nebenbei die Psyche meines australischen Gegenübers. Gelernt ist gelernt und Erfahrung ist Erfahrung. Überall auf der Welt haben Menschen ihre Probleme und die meisten haben ihren Ursprung in familiären Konstellationen. Es ist schön, dass mir wieder einmal jemand sein Herz ausschüttet und ich darüber nachdenken kann, was dieser Mensch braucht.

Nach einem halben Tag am Pool, einer Stunde im Fitnessraum und zwei Stunden bei Tesco genießen wir den Abend am Hafen. Wir kommen ins Gespräch und ich weiß: ich bin gut in meinem Job, auch wenn ich ihn momentan nur sporadisch ausübe. Die größte Freude habe ich, wenn ich jemanden vor mir habe, der mir erlaubt, nein, mich darum bittet, mit ihm auf Spurensuche zu gehen. Was ist Ursprung seiner Probleme und was könnten Lösungen sein?

Zuhause habe ich schon vielen Menschen geholfen. Ich bin unvoreingenommen und interessiert, das ist der Schlüssel, denke ich. Ich finde die menschliche Psyche so spannend und ich genieße jede Gelegenheit, mich damit zu beschäftigen. Manchmal fehlen mir diese tief gehenden Gespräche; umso schöner ist es, wenn es spontan zu einem solchen kommt – so wie heute.

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Mittwoch, 20. Dezember 2017
Singapur, zweiter Versuch
Neuer Tag, neues Glück. Wir sehen uns an und entscheiden spontan. Da steht ein Grabtaxi, wir steigen ein und lassen uns noch einmal zur Grenze fahren. Heute wollen wir alles richtig machen und kontrollieren den Pass dreimal – ja, wir haben den Ausreisestempel! Aber der Weg nach Singapur ist lang. Eigentlich sind es ja nur zwanzig Kilometer, aber für die Strecke braucht man mindestens zwei Stunden. Taxi – Bus – Grenzkontrolle Ausreise – Bus – Grenzkontrolle Einreise – Bus – Metro. Aber wir schaffen das und gegen Mittag sind wir tatsächlich in Singapur!

Und was soll ich sagen? Es ist schön hier. Die Wege sind sauber und die Luft lädt zum Atmen ein. Auch für Arnd ist gesorgt; es gibt immer wieder Raucherplätze und unsere Befürchtungen, wir würden uns durch viele Verbote eingeengt fühlen, bewahrheiten sich nicht. Wir neigen ohnehin nicht dazu, mit unserem Müll um uns zu schmeißen oder auf die Straße zu spucken. Singapur wirkt sehr europäisch und gilt nicht umsonst als Stadt für Asieneinsteiger.

Wir nehmen die Metro zum Raffles Place und sind ganz schnell am Singapore River. Am Ufer eine Reihe Restaurants; das passt gut, wir sind hungrig. Der Wirt erzählt, dass der Fluss von 1977 an zehn Jahre lang systematisch von Hausbooten, Dreck und Gestank befreit wurde. Später beobachten wir tatsächlich wild lebende Otter im Wasser, die ihre gerade gefangenen Fische fressen.

Auch wir essen Fish & Chips und machen uns dann auf den Weg zur National Gallery. Nicht nur die Ausstellungen sind beeindruckend. Vor allem die Architektur des Gebäudes fasziniert uns. Man hat zwei historische Gebäude - City Hall und Supreme Court - sehr gelungen miteinander verbunden. Und es gibt begehbare Kunstwerke, das macht Spaß!



Irgendwann sind wir wieder draußen und wandern zum Wahrzeichen Singapurs, dem Merlion. Hier wird fotografiert, was das Zeug hält.



Wir flanieren weiter, bewundern die so unglaublich großzügig angelegte futuristische Innenstadt und landen schließlich am Singapore Flight, dem Riesenrad. Wir besteigen eine der großen geschlossenen Gondeln mit Platz für zwanzig oder mehr Personen und lassen uns hoch über die Stadt tragen – ein gelungener Abschluss des Tages.



Wenn da nicht noch die umständliche Rückfahrt wäre… Um 20 Uhr brechen wir auf, gegen 23 Uhr sind wir zuhause. Viel Zeit für einen Katzensprung.

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Dienstag, 19. Dezember 2017
Du kommst hier nicht rein!
Juchhu, wir fahren nach Singapur! Die Stadt der Verbote. Die Kaugummibestimmungen sollen inzwischen gelockert worden sein, man darf aber nur siebzehn Zigaretten einführen. Arnd hat sowieso nur fünf eingesteckt, also kann es fröhlich losgehen.

Die nette Dame in der Lobby bestellt uns ein Ubertaxi (aus unerfindlichen Gründen klappt es nicht mit unserer App) und schon sind wir unterwegs zum Tuas Second Link, dem Grenzübergang. Unser Fahrer reicht dem malaysischen Zollbeamten unsere Pässe und sagt ihm, dass er nicht nach Singapur will, sondern gleich wieder umkehrt. Wir bekommen unsere Pässe zurück, steigen aus und fragen uns zum Busterminal durch. Da steht ja schon der Bus mit den gelben Smileys drauf, der uns über die Brücke nach Singapur bringt. Wir stehen etwa eine halbe Stunde im Stau, dann steigen wir wieder aus und gehen zur nächsten Grenzkontrolle. Jetzt nur noch die Einreiseformalitäten, dann sind wir in Singapur.

Der Beamte blättert meinen Pass durch. Er blättert und blättert und blättert. Was ist los? Ich blicke hinüber zu Arnd, der am Schalter nebenan steht. Auch hier: Die Beamtin blättert und blättert und blättert. Dann zeigt mir mein Beamter meinen Pass: ich habe keinen Ausreisestempel aus Malaysia. Arnd auch nicht. Keine Ausreise, keine Einreise. Wir sind im Niemandsland. Arnds Beamtin nimmt uns mit ins Immigration-Office. Ich sehe uns schon auf den Spuren des Terminalmanns, der jahrelang wegen fehlender Papiere einen Flughafen nicht verlassen konnte und sich dort häuslich einrichten musste. Das wird dann aber ungemütlich.

Wir sitzen auf Plastikstühlen und warten. Inzwischen sind drei weitere Beamte mit unserem Fall befasst. Es wird telefoniert und diskutiert: „Welches Formular soll ich nehmen?“, scheint das Thema zu sein. Nach einer gefühlten Ewigkeit übergibt der hauptsächlich zuständige Officer (die anderen waren nur beratend tätig) unsere Pässe an zwei junge bewaffnete Damen in Uniform. Eine geht vor uns, eine hinter uns und sie geleiten uns über verschiedene Plätze (sind das etwa frische Blutspritzer auf dem Boden?!) und durch etliche Räume hinter den Kulissen zurück zum Busterminal.

Dort bedeuten die Frauen uns, den Bus zurück über die Brücke nach Malaysia zu nehmen. Ein Dokument soll uns helfen, das Niemandsland wieder zu verlassen. Im Bus lese ich, was da geschrieben steht: „This is to inform you that you are refused entry into Singapore for being ineligible for the issue of a pass under current immigration policies.“ Na, toll!

Dann die Einreise nach Malaysia: Der malaysische Beamte muss erstmal seine Kollegen befragen. Wir dürfen nämlich nur drei Monate in Malaysia bleiben und es gilt zu klären, ob diese Zeit jetzt neu zählt. Tut sie nicht. Und unsere Pässe sind ab sofort gebrandmarkt mit dem Hinweis „NTL Singapore“. Dafür gibt es sogar einen Stempel. Supertoll!

Wir verlassen das Gebäude und stehen wieder vor einer Reihe von Bussen. Welchen nehmen wir? Die kurze Nachfrage ergibt, dass der nächste Bus nach Puteri Harbour um 17.30 Uhr fährt, also in zweieinhalb Stunden. Theoretisch könnten wir uns jetzt auch den Ausreisestempel von Malaysia holen und nochmal nach Singapur fahren. Aber das ist heute kein Thema mehr. Stattdessen stehen wir ein bisschen hilflos herum. Hier gibt es weder Taxi noch WLAN. Dann erbarmt sich einer der Männer, die wir nach dem Bus gefragt haben und zeigt auf ein Auto. Ein Grabtaxi, welch Glückes Geschick!

Unterwegs kommen wir mit dem Fahrer ins Gespräch. Arnd erzählt ihm von unserem Tag und der Fahrer hört gar nicht mehr auf zu schimpfen: „Das sind die faulen Malaien, die am Schalter arbeiten. Immer wieder passiert das, immer wieder fehlen Stempel. Starren lieber in ihr Handy, chatten mit Freunden, anstatt ihre Arbeit zu machen, die faulen Malaien! Man muss immer prüfen, ob man die Stempel hat, in Singapur sind sie gründlich.“ Würden Inder und Chinesen Malaysia regieren, wäre alles besser (er hat indische Wurzeln). Ich glaube zwar eher, dass es bei unserer Ausreise aus Malaysia ein Missverständnis zwischen Uberfahrer und Grenzer gab, aber es tut mir trotzdem gut, dass da mal jemand so herzhaft schimpft.

Zuhause recherchiere ich: Malaysier sind nicht alle gleich; es gibt die Volksgruppen der Inder, der Chinesen sowie der Malaien, die den politischen Führungsanspruch haben und dem Islam angehören. Seit 1969 werden die Malaien positiv diskriminiert (und eben auch bevorzugt im öffentlichen Dienst eingestellt), weil die Chinesen wirtschaftlich zu erfolgreich waren. Aha. Im Gegenzug sind die Malaien allerdings auch bestimmten Vorschriften der Scharia unterworfen, die für die anderen nicht gelten.

Na, da haben wir doch wieder was gelernt und der Tag war nicht umsonst. Morgen oder übermorgen werden wir nochmal versuchen, nach Singapur zu kommen. Jetzt wissen wir ja, worauf wir achten müssen. Unterschätze niemals die Bedeutung von Stempeln!

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