Sonntag, 29. April 2018
„Was es alles gibt, was ich nicht brauche,“
…sagte schon Aristoteles. Mittags sehe ich mir online die Karl-Marx-Dokumentation auf Arte an, nachmittags machen wir uns auf zum real existierenden Kapitalismus. The Great Mall ist genau gegenüber, nur einen Katzensprung entfernt und lockt mit einhundertdreißigtausend Quadratmetern Verkaufsfläche. Von 1950 bis 1983 wurden auf dem Gelände Ford Mustangs gebaut, bis die japanische Konkurrenz dem ein Ende setzte. Seit 1994 kann man hier jetzt einkaufen bis zum Umfallen.



Naja, heute fallen wir auch ein bisschen um. Arnd bekommt neue knallrote Sportschuhe und ich kaufe mir bei Victoria’s Secret einen verwirrenden Pulli; er ist hellblau und drauf steht „PINK“. Beides natürlich reduziert. Ansonsten machen wir das, was wir immer machen, wenn wir im Shopping Center sind: große Augen. Wir sind die, die zu Ikea gehen und nichts kaufen – das soll uns erstmal jemand nachmachen.

Zurück zuhause beginne ich, mich über die ersten Glückwünsche zu meinem Geburtstag zu freuen, der eigentlich erst morgen ist. Durch den Zeitunterschied habe ich in diesem Jahr Geburtstag XXL – neun Stunden mehr.

Auch ohne Feier fühle ich mich an meinem Geburtstag immer ein bisschen wie eine Prinzessin. Heute fange ich schon mal damit an, mich auch so zu behandeln, als ich mir nach dem Sport ein Schaumbad einlasse (übrigens das erste seit Saigon!). Arnd trägt mich ja immer auf Händen, aber an meinem Geburtstag besonders. Ich freu mich an heute und auf morgen!

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Samstag, 28. April 2018
Else, Dine und ich
„Sie scherte sich nicht um Verhaltensregeln und war ein Ausbund an Natürlichkeit, Offenherzigkeit und Impulsivität. Sie war klug, witzig, überströmend in ihrer Liebe, Vitalität und Großzügigkeit. Sie kannte keine Konventionen, keine Berechnung, keine Prätentionen. Sie war echt und elementar. Und gleichzeitig hatte sie einen scharfen Intellekt, war in ihrem Denken schnell, beweglich und selbständig. Ja, sie war anders, weil sie autonom war. Sie fiel aus dem Rahmen, war stark und machte sich ihre eigenen Gesetze. Sie liebte das Künstlerische, war neugierig auf das Leben. Es war ihr vollkommen egal, was die Leute über sie dachten.“

Man ahnt es schon, ich lese ein neues Buch. Dine, eine Großcousine meines Vaters und liebe Freundin, hat es mir gegeben mit der Widmung: „Für Anja, bleib so, wie du bist. Dine“. Das Buch heißt „Du bist nicht so wie andre Mütter“; Angelika Schrobsdorff beschreibt darin ihre Mutter Else (siehe oben).



Dine sagt, Else erinnere sie an mich. Jetzt, als ich über Else lese, empfinde ich das als Riesenkompliment. Ich glaube schon, dass ich ein bisschen so bin, aber Dine, da ist noch viel Luft nach oben. Fest steht: Ich will gerne mehr so werden. Else gefällt mir.

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Freitag, 27. April 2018
Take your time
Was ist der sehnlichste Wunsch der Frauen? Nach unserem Trainingsprogramm lese ich auf der Sonnenterrasse mein Buch zu Ende. An einer Stelle geht es um eben diese Frage. Die Antwort: Frauen wünschen sich nichts sehnlicher als Souveränität, also die Kontrolle über ihr eigenes Leben.



Souveränität, das ist das Recht, frei nach eigenem Ermessen zu handeln. Wer souverän ist, bestimmt eigenständig über sich und sein Leben, ist also nicht fremdbestimmt. Im Buch geht es um eine Geschichte aus dem Mittelalter, als es „radikal und schockierend“ war, wenn eine Frau Souveränität forderte, heute sei das selbstverständlich.

Ich denke über diese Worte nach. Ist es heute tatsächlich selbstverständlich, souverän über sein eigenes Leben zu bestimmen?

Wenn ich dich frage, ob du selbst über dich und dein Leben bestimmst, wirst du vielleicht noch ja sagen, aber was ist, wenn ich dich frage, ob du selbst über deine Zeit bestimmst? Tja, deine Zeit ist dein Leben, oder?

Ich behaupte, nicht nur Frauen, sondern die meisten Menschen sind mehr oder weniger fremdbestimmt. Wenn ich daran denke, wie ich ganz frech und trotz aller Widerstände über mich und vor allem meine Zeit (!) selbst bestimme, dann weiß ich genau, dass das alles andere als selbstverständlich ist und auch eine Menge Neider auf den Plan ruft.

Ich glaube, nur wer selbst über seine Zeit bestimmt, ist wirklich souverän. Anders ausgedrückt: Frauen (und Männer?) wünschen sich nichts sehnlicher, als selbst über ihre Zeit zu bestimmen. Wenn das so ist: Take your time, es ist deine!

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