Samstag, 20. Januar 2018
Pipilotti Rist
„Sip my ocean“ heißt die Ausstellung der Schweizer Videokünstlerin Pipilotti Rist (bürgerlich Elisabeth Charlotte Rist, Jahrgang 1962) im Museum of Contemporary Art. Neun Räume, Licht und Schatten, bunte Lichter, seltsame Filmchen, surreale Szenen, Musik. Pipilottis Meer. In der Münchener Pinakothek der Moderne gibt es auch so einen Raum, den Pipilotti gestaltet hat. Ich liebe dieses Zimmer.



Pipilotti ist berühmt, eine weltweit anerkannte Künstlerin; die Menschen stehen Schlange, um ihre Ausstellungen zu sehen. Ihre Eltern? Vermutlich Nina Hagen und Andy Warhol. Ich beschließe, mir eine Scheibe abzuschneiden von ihrem Mut und ihrem Glauben an sich selbst.

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Freitag, 19. Januar 2018
Schicksale
Wir besichtigen die Barracks am Hyde Park. Von außen ein imposanter Bau, von innen spartanisch.



Die Sträflinge schliefen dicht an dicht in Hängematten. Harte Zwangsarbeit am Tag, wenig zu essen, nachts zusammengepfercht in Schlafsälen mit bis zu siebzig Männern.



Der jüngste Häftling war ein neun Jahre alter Junge aus England, nach Australien in die Verbannung geschickt für den Diebstahl einer Uhr. Die Behandlung war für alle gleich, ob neun oder neunzig Jahre alt. Der Junge starb mit dreizehn; er war den Strapazen nicht gewachsen. Ich weiß nicht, ob er während seiner Zeit in den Barracks ausgepeitscht wurde wie so viele andere. Vielleicht weil er zu krank zum Arbeiten war, aber seine Wärter meinten, er täusche die Krankheit nur vor? Sechsundreißig Peitschenhiebe setzte es dafür; jedenfalls war das die Strafe für einen jungen Mann namens John Tree.



Irgendwann kam jemand auf die Idee, die einfache Peitsche zu ersetzen durch eine mit neun Schwänzen - da freut sich der Sadist.

Von 1819 bis 1848 dienten die Barracks als Männergefängnis, danach waren sie bis 1886 Eingangsunterkunft für immigrierende Frauen. Hungersnot in Irland, Frauenmangel in Australien: viele verwaiste Mädchen wanderten nach Australien aus, bekamen Arbeit, heirateten und mehrten sich. So wie die Irin Mary, die älteste von mindestens fünf Geschwistern. Als ihre Eltern (wahrscheinlich an Unterernährung) starben, war sie siebzehn und kam ins Arbeitshaus. Die Zustände waren furchtbar, viele ihrer Mitbewohner starben an Typhus. Mary ergatterte ein Ticket und verließ Irland mit 233 anderen irischen Waisenkindern, um in Australien eine neue Heimat zu finden. Die ersten Nächte verbrachte sie in den Barracks. Dann fand sie eine Anstellung, heiratete zweimal und bekam zwölf Kinder.

Es sind Einzelschicksale, die Geschichte lebendig machen. Wer die Vergangenheit begreifen will, sollte Biografien lesen. Ich empfehle „Die Asche meiner Mutter“ von Frank McCourt und den Film „In einem fernen Land“ mit Nicole Kidman. Arnd legt sich in eine der Hängematten im Schlafsaal, ich teste eines der Eisenbetten der Frauen. Wir versuchen nachzuspüren, wie es den Menschen damals ging; es ist nicht leicht.



Auch in diesem Museum vergeht die Zeit viel zu schnell; um 17 Uhr müssen wir gehen – wieder einmal voller Eindrücke, die sich nur schwer in Worte fassen lassen. Die Welt draußen ist eine andere, ordentlich und sauber, warm und sicher. Wir bummeln durch meinen Lieblingsstadtteil Surry Hills und essen lecker Pizza (schon wieder) in einem urigen Lokal unter freiem Himmel, während in Deutschland Schneestürme toben.

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Donnerstag, 18. Januar 2018
Strandtag mit Tiefgang
Der erste Strandtag! Neunundsechzig Tage unserer Reise mussten vergehen, bis ich heute das erste Mal im Meer bade. Es ist herrlich. Wir sind wieder mit Fritz unterwegs; er hat uns am Bahnhof in Woy Woy abgeholt und ist mit uns zum traumhaften Putty Beach im Bouddi Nationalpark gefahren. Heute gehen wir es ruhiger an als bei unserem letzten Besuch.



Ich liege am Strand und genieße die Sonne. Schnell wird es mir zu warm und ich springe noch einmal in die Wellen. Die Unterströmung ist stark, weit hinausschwimmen sollte man nicht, aber das ist auch nicht nötig. Ich liebe es, im Salzwasser zu baden.

Fritz macht währenddessen Mittagspause im Campingbereich; dort kann man bequem an Holztischen sitzen. Als er fertig ist, kommt er zu uns an den Strand und wir machen einen Spaziergang. Der Bouddi Coastal Walk ist ein befestigter Weg, der oberhalb der Klippen über bizarr geformte Sandsteinterrassen zu einer zweiten Bilderbuchbucht führt. Mir gehen die Superlative aus – es ist einfach unsagbar schön hier und dazu dieses Traumwetter.



Zurück am Ausgangspunkt nehme ich noch ein Bad und dann wird Arnd ungeduldig – er hat für heute genug Sonne getankt und will nicht verbrennen. Er hat recht und wir machen uns auf den Weg zu einer weiteren Bucht mit drei kleinen Restaurants. Bei Bier und Pizza (wir) und Eis (Fritz) haben wir Zeit zum Reden – hauptsächlich über das Reisen.



Fritz erzählt von seinem Besuch auf Norfolk Island; vor ein paar Monaten war er das erste Mal da. Im Oktober schenkt er sich zum Geburtstag eine zweite Reise dorthin. Ganz allein möchte er nochmals die unvergleichlich dichte Atmosphäre dieser ehemaligen Gefängnisinsel erspüren. Ich verstehe gut, was er meint.

Es gibt Orte, die sind wie energetisch aufgeladen, weil dort so viel Leid geschehen ist. Ich denke an Vietnam und wie ich dort die Orte gesucht habe, an denen das Leid des Krieges noch irgendwie gegenwärtig ist. Auch ich will mich vom Schicksal der Menschen berühren lassen und ich bin glücklich, wenn es mich nicht kalt lässt – dann spüre ich, dass ich lebendig bin und nicht aus Stein. Mitfühlen zu können, ist ein Geschenk. Wenn man das Leid schon nicht nehmen kann, so macht das liebevolle Mitfühlen das Dunkle doch ein bisschen heller.

Es gefällt mir, dass wir heute so viel Zeit damit verbringen, uns auszutauschen. Ich genieße Gespräche mit Tiefgang und freue mich schon auf die nächste Begegnung mit Fritz.

Und wieder geht ein schöner Tag zu Ende...

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