Sonntag, 14. Januar 2018
Am Sonntag will mein Süßer...
Heute ist Arnds Tag. Wenn er schon so lange aufs Selbersegeln verzichtet, möchte er heute wenigstens zuschauen. Jeden Sonntag segeln im Hafen von Sydney die 18-Footer um die Wette, leichte und sehr schnelle Sportboote mit einer dreiköpfigen Crew. Es gibt eine Begleitfähre, die wollen wir nehmen. Als wir in der Double Bay ankommen (dort wird gestartet) sind die Regattavorbereitungen in vollem Gang und Arnd schaut sich selig um. Er genießt die Atmosphäre und ich freue mich darüber.

Aber der Wind ist heute extrem stark. Ob überhaupt gesegelt werden kann?

Wir fragen im Segelclub nach – nichts Genaues weiß man nicht, wir müssen warten. So ist das beim Segeln; entweder ist zu wenig Wind, dann wartet man auf mehr Wind oder es ist zu viel Wind, dann wartet man auf weniger Wind. Auf jeden Fall wartet man; ich kenne das schon.

Ich setze mich im Windschatten in die Sonne und beobachte, wie unzählige junge Frauen (und ein paar Männer) eine kleine weiße Fähre besteigen, die in regelmäßigen Abständen irgendwohin fährt. Das Besondere: Die Damen sind herausgeputzt, als ginge es zum Model- oder High-Heel-Contest – eine schöner als die andere. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus und frage nach. Aha, es geht auf eine Insel in einen Club (früher sagte man Disco). Da kommen dann wohl zehn Mädels auf einen Mann. Da will Arnd auch hin!



Und dann die traurige Nachricht: Knapp fünfzig Knoten sind einfach zu viel; die Regatta wird abgesagt. Trotzdem wagen sich zwei Crews mit ihren Booten aufs Wasser und wir erhaschen zumindest noch einen kurzen Blick. Zum kleinen Trost nehmen wir die Linienfähre zurück zum Circular Quay und werden nochmal tüchtig durchgepustet. Das ist fast schon Flensburger Sommerwetter: Sturm und abwechselnd Sonne und Regen, Pulli an, Pulli aus. Zum Glück liegt die Temperatur immer noch bei zwanzig Grad und ab Mittwoch wird es wieder heiß.

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Samstag, 13. Januar 2018
American Idiot
Laut und leidenschaftlich, grell und bunt. Publikum und Bühne sind eins. Ich schwinge und wippe im Takt, Arnds Bein vibriert, wir halten uns an den Händen. Ein Jahr im Leben von ein paar jungen Menschen; sie sind auf der Suche. Einer nimmt Heroin, einer bleibt bei seiner schwangeren Freundin, einer zieht in den Krieg. Das ist das Punk-Rock-Musical „American Idiot“, das wir uns heute in der Sydney Opera ansehen.



Musik und Tanz reißen mit und die Botschaft wiederholt sich in jeder Generation: Ich suche nach dem Sinn des Lebens, eure Welt will ich nicht, ich will selbst herausfinden, was mich glücklich macht. Und dabei mache ich Fehler, natürlich. Aber was sind schon Fehler?

Nie ist der Mensch so leidenschaftlich wie in dieser Zeit des Lebens. Da spürt man das Leben, da will man, da liebt man, da leidet man – nie wieder ist es so intensiv wie in dieser Zeit zwischen kindlicher Jugend und Erwachsensein. Genau darum liebte mein Onkel Marschmusik, darum lieben wir die Neue Deutsche Welle…und…Punkrock.

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Freitag, 12. Januar 2018
The finest house in the colony
Elizabeth Bay House



Wir stehen in der großen Halle und bewundern die elegant geschwungene Freitreppe, den Kronleuchter, der sich mittels Flaschenzug auf- und abbewegen lässt und die wunderschöne Deckenkuppel.



Auch die Schmetterlingssammlung des Hobbyinsektenforschers Alexander Macleay und seiner Nachkommen ist bestimmt beeindruckend, wenn man sich dafür interessiert. Mich bewegen ein paar andere Dinge viel mehr.



Vor allem ist das der Lebenslauf von Alexanders Ehefrau Elizabeth (1769-1847). Stell dir vor: Du heiratest mit zweiundzwanzig und dann bringst du innerhalb von dreiundzwanzig Jahren siebzehn Kindern zur Welt. Siebzehn Kinder, von denen du sieben wieder beerdigst. Eines davon ist eine Todgeburt, die anderen sind zwei, vierzehn, fünfzehn, sechzehn und siebzehn Jahre alt, als sie sterben.



Dann, mit sechsundfünfzig Jahren, wanderst du mit deinem Mann nach Australien aus. Deine vier überlebenden Söhne (dreiunddreißig, neunundzwanzig, sechzehn und vierzehn Jahre alt) bleiben in England, deine sechs überlebenden Töchter (zweiunddreißig, sechsundzwanzig, dreiundzwanzig, zwanzig, achtzehn und elf Jahre alt) kommen mit und müssen verheiratet werden. Damit die jungen Männer anbeißen und wohl auch, weil dein Alexander ein Faible dafür hat, wird Elizabeth Bay House gebaut, das ihr euch eigentlich gar nicht leisten könnt. Es wird auch erst fertig, als deine Töchter (bis auf eine) längst verheiratet sind. Auf die umlaufende Veranda verzichtet ihr – zu teuer. Du bist siebenundsechzig, als deine älteste Tochter mit dreiundvierzig Jahren stirbt.



Beim Einzug bist du siebzig Jahre alt, ihr seid hoch verschuldet, vor allem bei eurem erstgeborenen Sohn, der aus England anreist und das Haus zwecks Schuldentilgung übernimmt. Du bist sechsundsiebzig, als dein Sohn dich, deinen Mann und die einzige unverheiratet gebliebene Tochter nötigt, zu einer deiner anderen Töchter zu ziehen. Vielleicht bist du aber auch ganz froh darüber, wer weiß. Zwei Jahre darauf stirbst du. Warst du glücklich?



Wir bekommen eine sehr gute Führung und erfahren nicht nur viel über das Schicksal der Bewohner, sondern auch über die Nutzung des Hauses. Bis 1926 war es Wohnhaus, dann wurde es teils von Künstlern, teils für Hochzeiten und Empfänge genutzt.



1941 unterteilte man es in fünfzehn Apartments mit kleinen Küchen und Bädern, die in den siebziger Jahren zurückgebaut wurden, um den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen und das Haus als Museum zu erhalten.

Vom Grundstück von über zweihunderttausend Quadratmetern ist allerdings nicht viel übrig geblieben; es ist fast komplett bebaut mit Wohnhäusern, Geschäften, Straßen und Parkplätzen.



Nur ein kleiner Park zwischen Straße und Bucht erinnert daran, wie es hier einmal ausgesehen haben muss. Nichts ist für immer, aber der Blick aufs Wasser bleibt - man muss nur dicht genug ans Ufer kommen. Der Wind bläst mir ins Gesicht und ich bin froh, dass ich heute lebe.

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