Samstag, 18. November 2017
Und plötzlich ist es dunkel - Tag 5 in Saigon
Gerade noch Facetime mit Maira, meiner Tochter, dann Weltuntergangsgewitter und Stromausfall. Arnd ist es Recht, er liegt sowieso flach. Seit letzter Nacht fühlt sein Magen sich leer einfach besser an. Inzwischen nimmt Arnd zwar schon wieder Cola in kleinen Schlucken und etwas Salzgebäck zu sich, aber geraucht hat er heute noch keine einzige Zigarette, was einiges darüber aussagt, wie schlecht es ihm geht.

So verbringe ich den Tag ganz entspannt auf der Dachterrasse, lese viel, sonne mich und kühle mich immer wieder im Pool ab. Ruhig ist es da oben, hoch über der Stadt mit ihrem Lärm und den leider unvermeidlichen Abgasen. Ach, wenn die Mopeds doch Elektroroller wären…

Mein Highlight ist heute der akustische Empfang im kleinen Supermarkt im Erdgeschoss: Aus den Lautsprechern kommt…Weihnachtsmusik! In Vietnam ist zwar nur ein Bruchteil der Bevölkerung christlich, aber die verkaufsfördernde Wirkung der Festtage wird gern mitgenommen. In den Straßen bieten die emsigen Händler schon die ersten sehr bunten Plastikweihnachtsbäume und den noch bunteren Schmuck an. Es weihnachtet sehr!

Wie ich es liebe, Weihnachtsmusik an exotischen Orten zu hören. Das ist so surreal, so kitschig, so unwirklich und gleichzeitig so vertraut. Für mich ist Weihnachten in der Fremde einfach unvergleichlich schön anders. Zu Hause sind die Abläufe immer ziemlich gleich und ich fühle mich zum Mitmachen verpflichtet, ob ich will oder nicht. Deshalb sind diese Tage eher eine Zerreißprobe für mich. Anders in der Fremde: Hier bin ich amüsierter Zuschauer, nicht angestrengter Mitmacher. Heute weiß ich noch nicht einmal, wo ich dann sein werde. Es gibt keinerlei Vorbereitungen und keine Verpflichtungen.

Es ist das vierte Weihnachten, das Arnd und ich zusammen „feiern“. Und jedesmal waren wir unterwegs, einmal auf Fuerteventura, zweimal in Miami. Mit Arnd fühle ich mich gleichzeitig frei und geborgen. Nicht nur zu Weihnachten.

Seit gestern (ich bin mein eigenes Reisebüro) steht unsere weitere Reiseroute fest. Am 28. November gönnen wir uns zwölf Stunden Busfahrt nach Siem Reap, Kambodscha. Dort beziehen wir eine hoffentlich schöne Wohnung im Stadtzentrum, bleiben bis zum Nikolaustag und fliegen dann nach Kuala Lumpur.



So, jetzt wäre es toll, wenn der Strom wiederkäme, dann könnte ich diesen Eintrag auch online stellen...

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Freitag, 17. November 2017
Tag 4 in Saigon
Heute sind wir spät dran; wir wachen erst um 10.30 Uhr auf. Gleich nach dem Frühstück begeben wir uns in den Fitnessraum. Anschließend nehmen wir ein kühles Bad im Pool - wir haben es gut!

Das Ho-Chi-Minh-Museum muss noch etwas auf uns warten. Stattdessen erlaufen wir uns die Stadt, wiederum auf der Suche nach Nahrung und Abenteuer. Inzwischen haben wir richtig Spaß daran, die Straßen zu überqueren. Man gleitet zwischen den Mopeds hindurch wie ein Fisch durch´s Wasser. Aber Obacht: Busse kennen keine Gnade, Autos bremsen nur manchmal und Ampeln sind schön bunt, werden aber weitgehend ignoriert.

Übrigens bin ich hier richtig groß. Mit meinen 1,58 m überrage ich so gut wie alle Frauen (ich bin einen Kopf größer als die meisten!) und auch viele Männer. Arnd mit seinen 1,80 m ist ein Riese und könnte gut als Bodyguard oder Türsteher arbeiten.

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Donnerstag, 16. November 2017
Cu Chi
Sicher sei ich früher, als ich jung war, eine sehr hübsche Frau gewesen. Das meint Khoi, unser heutiger Reiseführer, tatsächlich als Kompliment. Zum Glück mag Arnd mich auch alt und hässlich noch leiden...

Eigentlich wollen wir uns heute im Anschluss nach einem Bummel durch das Backpackerviertel das Ho-Chi-Minh-Museum ansehen, aber daraus wird wieder nichts. Stattdessen entscheiden wir uns kurzerhand für die Bustour zum Tunnelareal von Cu Chi.

Unterwegs machen wir Pause, um uns Kunsthandwerk anzusehen, gefertigt von Opfern der Agent-Orange-Attacken der Amerikaner. Diese Menschen seien missgebildet zur Welt gekommen, weil ihre Mütter von verseuchtem Wasser getrunken hätten. Wir sehen, wie die Frauen und Männer in etlichen Arbeitsgängen Bilder aus Splittern von Eierschalen, Perlmutt, Lack und Farbe herstellen. Ich bin schwer beeindruckt und schon zum Kauf eines kleinen Bechers überredet. Später sehe ich dieses Kunsthandwerk überall zu einem Fünftel des Preises. Ich bin hin und her gerissen. Einerseits fühle ich mich wie das Opfer einer Kaffeefahrt, andererseits empfinde ich den Preis, den ich gezahlt habe, als angemessen.

In Cu Chi zeigt Khoi uns die Waffen, Fallen und Verstecke der Vietkong-Guerillakämpfer. Wir krabbeln durch einen 100 m langen Tunnel, der bereits vergrößert wurde, damit auch Europäer und Amerikaner durchpassen. Trotzdem: Es ist eng, dunkel, schmutzig und heiß.





Aber das ist es nicht, was mich heute am meisten beeindruckt. Sie sind so klein, so kreativ, so zäh, so bienenfleißig und so unermüdlich, diese Vietnamesen. Im Krieg und im Frieden. Aus ganz wenig machen sie ganz viel. Im Krieg haben sie die nicht gezündeten amerikanischen Bomben zersägt und den Sprengstoff recycelt. Weil es auf der Erde nicht sicher war, haben sie Tunnel in drei unterirdischen Etagen gegraben und so überlebt. Im Frieden zerlegen sie kaputte elektrische Geräte in ihre Einzelteile und bieten alles fein säuberlich sortiert zum Kauf an. Wer zu wenig oder keine eigene Ladenfläche hat, nutzt den Bürgersteig als Garküche, Verkaufsstand, Nähatelier, Werkstatt oder Moped-Parkplatz.

Auch unser Reiseleiter Khoi ist ein gutes Beispiel für diese Energie. Er ist gerade einmal 20 Jahre alt, bringt sich seit zwei Jahren selbst englisch bei, geht vormittags zur Highschool und macht nachmittags Touristenführungen. Respekt! Nur an seiner Art, Komplimente zu machen, kann er noch arbeiten...

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