Montag, 27. November 2017
Goodbye Saigon
Goodbye Saigon, du wahnsinnig widersprüchliche, riesengroße, brodelnde Stadt. Zum letzten Mal schlängeln wir uns zwischen den Motorrollern zum Backpackerviertel, um unsere Bustickets für morgen zu kaufen. Von Tag zu Tag erscheint mir der Lärm größer und die Luft stickiger. Was am Anfang noch Begleitmusik für all die neuen und bunten Eindrücke war, wird nun anstrengend. Ich habe mich an das Gewusel gewöhnt; jetzt nehme ich den Müll und den Dreck auf den Straßen überdeutlich wahr. Auch die Gerüche beginnen mich zu nerven. Ja, es ist Zeit zu gehen.

Die Menschen hier sind erstaunlich. Wie sie sich in diese Welt einfügen, ja, ein Teil davon sind und ihre Traditionen irgendwie einweben, ist unglaublich. Von klein auf spielen die Kinder mitten im Verkehr. Sind sie immun?! Saigon wird mir in Erinnerung bleiben als Stadt, in der die Motorroller durch den Gemüsegarten knattern und in der die Menschen offenbar in der Lage sind, das Beste aus allem zu machen. Und das mit einer stoischen Gemütsruhe, die nur ganz selten kurz unterbrochen wird, wenn ab und zu einer dem anderen zu nahe tritt.



Die Menschen erinnern mich an ein Ameisenvolk. Ohne groß nachzudenken, macht jeder seinen Job. Aber es gibt auch die junge Generation, Menschen wir Khoi, die englisch lernen, vielleicht wie er Tourismus studieren und dann möglicherweise auch die Chance haben, irgendwann einmal zu reisen. Ich wünsche es ihnen!

Es war gut, unsere Reise so zu beginnen, mitten hinein ins asiatische Tollhaus. Wir haben sie gebraucht, die zwei Wochen zum Ankommen, zumal wir ja zwei Tage auf dem Krankenbett verbracht haben. Meine Highlights waren die Tunnel von Cu Chi, der Präsidentenpalast, das War Remnants Museum, das Kunstmuseum und natürlich der Besuch bei Herbert. Wir sind um so viele Eindrücke reicher. Ich bin sehr dankbar dafür, das alles erleben zu dürfen.

Morgen geht es weiter nach Kambodscha und viel zu viele Sachen müssen noch in den Koffer inklusive die warme Jacke, die ich hier so gar nicht brauche…

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Sonntag, 26. November 2017
Take your time
Wir besuchen das Kunstmuseum: Drei herrschaftliche Gebäude aus der Kolonialzeit, die auch wieder ihre beste Zeit hinter sich haben. Wieder einmal ein Museum in staatlicher Verantwortung mit niedrigsten Eintrittspreisen im Shabby Chic. Aber hier hat das Charme – Kunst darf das. Früher gehörten die Villen einem reichen chinesischen Kaufmann, heute ist es das Fine Arts Museum von Saigon.



So gern besuche ich Kunstmuseen und auch hier geht es mir so wie immer in solchen Häusern: Ich genieße die Weite der Räume und es ist, als ob die Zeit, die der Künstler mit seinem Werk verbracht hat, Zeit ist, die er mir schenkt. Kunst ist zeitlos und auch heute bin ich zeitweise wie entrückt. Besonders gut gefällt mir die Sonderausstellung, die in Partnerschaft mir Korea entstanden ist. Südkorea, um genau zu sein. Wenn ich böse wäre, würde ich sagen, Nordkorea hätte mangels Farbe wahrscheinlich nur schwarz-weiß gemalt. Die hier präsentierten Werke sind bunt und haben zum Teil einen ganz eigenen Witz.



Arnd kämpft ein bisschen mit seinem Kreislauf, ist aber wieder einmal die personifizierte Geduld. Das ist ein Geschenk; er lässt mir Zeit. Du musst langsam gehen, wenn du die schönen Dinge sehen willst. Der Museumsbesuch ist eine kleine Zeitreise, ich genieße das.

Auch der Abend wird richtig schön. Zum zweiten Mal essen wir bei Vittorio im Backpackerviertel und schlendern dann gemütlich heimwärts. Und wie immer, wenn ich kurz davor bin, einen Ort wieder zu verlassen, werde ich ein bisschen wehmütig. Ich hoffe, ich habe hier nichts versäumt. Jede Zeit ist einmalig.



Ganz gut sind dann die Konstanten: Jeden Morgen lese ich - egal, wo ich bin - das Flensburger Tageblatt und gleich gucken wir Tatort, online.

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Samstag, 25. November 2017
Wirre Welt
Unser Uber-Fahrer spricht englisch und hat das Bedürfnis, sich uns mitzuteilen. Er würde gern reisen, wird aber niemals die dafür nötigen Papiere bekommen. Er schimpft über die Regierung, die Korruption, die Höhe der Steuern. Es gäbe kein Sozialsystem, den Arzt und die Schule müsse jeder selbst bezahlen und wenn man dann 25 Jahre gearbeitet und Steuern gezahlt habe, bekäme man eine Rente, die nicht zum Leben und nicht zum Sterben reiche. Jeder versuche so viel wie möglich schwarz zu verdienen, damit man dem Staat, der nichts für seine Bürger tue, so wenig wie möglich geben müsse. Das ist also der real existierende Kommunismus aus Sicht eines Teilzeittaxifahrers.

Nachdenklich steigen wir an der Pagode des Jadekaisers aus. Ich erwarte wie im Reiseführer beschrieben eine kleine Parkanlage mit romantischen Tempeln und werde ziemlich enttäuscht. Die Anlage ist heruntergekommen und schmutzig, die Luft ist stickig und so voller Räucherstäbchengewaber, dass ich kaum atmen kann. Vor jedem der prächtigen Altäre steht ein großer Panzerknacker-Tresor für Opfergaben und auch Naturalien werden fleißig gespendet. Obst, Flaschen und originalverpackte Kekse aus dem Supermarkt finden sich auf den Altären. Mich wundert, dass niemand die Schuhe auszieht. Viele Gläubige beten, Touristen schauen und fotografieren. Es ist sehr ruhig. Ich fühle mich seltsam. Einerseits ist da die innige Andacht der Gläubigen, andererseits dieses Gebäude, das so ungepflegt, schäbig und vermüllt wirkt. Irgendwie passt das für mich nicht zusammen. Auch Arnd empfindet das so und wir machen uns verwirrt auf den Weg in den Nachmittag.



Wir passieren das History Museum und erreichen den imposanten Eingang des Tierparks. Eine grüne Oase ist jetzt genau richtig. Denkste. Der Zoo wurde 1865 von einem Franzosen gegründet und war bestimmt mal schön. Jetzt ist er es nicht mehr; man kann es mit einem Wort zusammenfassen: Renovierungsstau. Die Wege sind ungepflegt, das Pflaster an vielen Stellen kaputt, die Gehege sind so schmutzig wie die Tiere bemitleidenswert. Ich stelle mir vor, wie es hier in besseren Zeiten ausgesehen hat. Ich mag Vergnügungsparks, ich liebe Disneyland und das hier war mal ein Mini-Disneyland. Ich stelle mir Kinder in den kleinen bunten Tretbooten vor. Es gibt einen Mini-Wasserpark, hübsche kleine Karusselle und lustige Schießbuden. Jetzt ist alles geschlossen und modert vor sich hin. Nur im Zentrum lärmt, blinkt und glitzert es. Ein seelenloser greller Jahrmarkt ist dort aufgebaut, aber auch da sind kaum Menschen. Und das am Samstag, dem Familienzootag. Nein, hier fühlen sich nur die Ratten wohl. Gerade flitzt wieder eine über den Weg.



Puh, raus hier und rein in den Feierabendverkehr. Und zack, sind wir im District 1 in einer vollkommen anderen Welt. Überall Weihnachtsdekoration. Eine riesige Einkaufsmall lockt uns. Nein, wir wollen nicht shoppen, sondern Aircon, WC, WLAN, Burger & Coke. So ein Konsumtempel hat durchaus seine Vorzüge. Und jetzt wissen wir auch, wo die Menschen sind: Hier! Es ist Black Friday und sie konsumieren, als ob es kein Morgen gäbe. Dieser Tempel ist top gepflegt, alles blitzt und glänzt. So werden nun mal die Prioritäten gesetzt. Geld regiert die Welt.

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