Mittwoch, 22. November 2017
Krieg
Unter dem Foto steht: „Als auf diese beiden Jungen geschossen wurde, stürzte der ältere auf den jüngeren, als wollte er ihn beschützen. Dann machten die Typen sie endgültig fertig.“



Wie alt mögen die kleinen Jungen gewesen sein? Der ältere sechs oder acht, der jüngere vier Jahre alt? Zwei der drei Millionen Vietnamesen, die im Vietnamkrieg gestorben sind. Dazu zwei Millionen verletzte und 300.000 vermisste Menschen.

Wir sind im War Remnants Museum. Es ist das Museum der Kriegsverbrechen. Aber ist nicht Krieg an sich schon ein Verbrechen?

Ich stehe vor dem Foto der beiden kleinen Jungen und muss weinen. Ich denke an meine Kinder.

Dann sehe ich Bilder der missgebildeten Menschen, die noch heute unter den Folgen der Dioxinausbringung („Agent Orange“) leiden und frage mich erschüttert: Warum heißt es eigentlich Siamesische und nicht Vietnamesische Zwillinge?

Wer hat das alles befohlen? Wer hat mitgemacht? Definitiv nicht die beiden jungen Amerikaner, die sich aus Protest selbst verbrannt haben, der eine vor dem UN-Gebäude, der andere vor dem Pentagon. Aber so viele andere. Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin...

Als wir kurz vor Toresschluss noch einen Schlenker seitwärts machen, stehen wir plötzlich vor Käfigen, einer Guillotine und Folterinstrumenten. Ich frage mich, wie es passiert, dass Menschen nicht mehr das Menschliche in ihrem Gegenüber sehen, kein Mitgefühl haben, sondern augenscheinlich sogar Freude haben am Quälen und Töten.

Und dennoch: Dieses Museum ist dem Frieden gewidmet. Der Sticker, den wir gleich am Eingang bekommen, zeigt eine Friedenstaube. Der Besuch wühlt mich auf, ich bin wütend und traurig und muss dem Tod jetzt etwas entgegensetzen.

Also hinaus in die brodelnde Stadt. Ich will ein Steak. So widersinnig es klingt, ich will meine Zähne in Fleisch graben und spüren, dass ich lebe. Wir haben so ein verdammtes Glück, in einer friedlichen Welt zu leben. Es gibt so furchtbar viele Menschen, die dieses Glück nicht haben.

Nach dem Essen - diesmal in einem netten italienischen Restaurant - treiben wir mit dem Strom nach Hause und ich fühle mich gut und sicher.

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